Könnte der demokratische Präsident Joe Biden aus dem Rennen im US-Wahlkampf um eine zweite Amtszeit aussteigen? Es gibt wohl Anzeichen dafür.
Joe Biden
Joe Biden steht vor US-amerikanischen Flaggen. Wird er seinen Wahlkampf aufgeben? (Archivbild) - Keystone

Im US-Wahlkampf mehren sich Anzeichen, dass der demokratische Präsident Joe Biden womöglich aus dem Rennen um eine zweite Amtszeit aussteigen könnte. Sein republikanischer Kontrahent Donald Trump dagegen liess sich mit einem grossen Spektakel auf dem Parteitag in Milwaukee feiern und präsentierte sich nach dem Attentat auf ihn stärker denn je.

Berichte über Sinneswandel

Während Biden sich wegen einer Infektion mit dem Coronavirus in seinem Privathaus in Rehoboth Beach im Bundesstaat Delaware isoliert, berichtete die «New York Times» über einen möglichen Sinneswandel bei dem Demokraten. Dort hiess es unter Berufung auf mehrere Personen aus dem engen Umfeld Bidens, der 81-Jährige scheine allmählich zu akzeptieren, dass er seinen Wahlkampf womöglich aufgeben müsse. Biden habe jedoch noch keine Entscheidung getroffen.

Eine der Personen sagte dem Bericht zufolge, es wäre keine Überraschung, wenn er statt seiner selbst die Stellvertreterin Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin für die Wahl im November vorschlagen würde. Ähnliche Stimmen zitierte auch «The Hill». In diesem Bericht hiess es ausserdem, gut vernetzte Kenner der Demokratischen Partei gingen davon aus, dass Biden bereits kurz nach Abschluss der Parteitags der Republikaner in Milwaukee eine Ankündigung zu seiner politischen Zukunft machen könnte. Öffentlich hat Biden die Rückzugsforderungen bislang entschieden zurückgewiesen. Auch sein Wahlkampfteam betont beharrlich, er habe nicht vor, hinzuschmeissen.

Nach dem Attentat auf Trump war die Debatte über Bidens Fitness für eine zweite Amtszeit kurzzeitig in den Hintergrund getreten – sie kam aber im Laufe der Woche mit voller Wucht zurück. Die Corona-Infektion des Präsidenten kam dann noch obendrauf und dürfte dem Präsidenten Zeit zum Nachdenken geben. Biden hatte somit auch einen Besuch im Bundesstaat Nevada abgebrochen.

Weitere Abweichler im Kongress

Seit seinem desaströsen Auftritt beim Fernsehduell gegen Trump haben diverse Demokraten im Kongress Biden zu einem Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen aufgefordert. Wurde die Kritik zu Beginn noch hinter vorgehaltener Hand geäussert, wagten sich zuletzt immer mehr Kongressmitglieder nach vorn.

Hinzu kamen Medienberichte über ranghohe Demokraten, die Bedenken anmelden oder im Privaten versuchen sollen, Biden zu einem Rückzug zu bewegen – allen voran Ex-Präsident Barack Obama und die frühere demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.

Die «Washington Post» berichtete unter Berufung auf drei Kongressabgeordnete, Pelosi habe mehreren Parteikollegen im Parlament gesagt, sie glaube, dass Biden recht bald davon überzeugt werden könne, sich aus dem Präsidentschaftsrennen zurückzuziehen. In der Zeitung hiess es ausserdem, Obama habe vertrauten Personen gesagt, dass Bidens Chancen auf einen Wahlsieg stark gesunken seien und dieser sein Festhalten an der Kandidatur überdenken solle.

Auch die zwei führenden Demokraten im US-Kongress, Hakeem Jeffries und Chuck Schumer, warnten Biden Berichten zufolge davor, an seiner Präsidentschaftsbewerbung festzuhalten. Da spendable Unterstützer im Rennen um das Weisse Haus eine massgebliche Rolle spielen, gibt es inzwischen auch Medienberichte über die Auswirkungen der Debatte auf Bidens Etat für den Wahlkampf. So berichtete die «New York Times» unter Berufung auf vier Personen, die mit Bidens Wahlkampagne vertraut sind, dass die finanzielle Unterstützung merklich geschrumpft sei.

Ballonregen und familiäre Geschlossenheit bei Trump

Im krassen Kontrast zum Chaos um Biden stand das grosse Finale des Parteitags der Republikaner in Milwaukee, wo am späten Abend (Ortszeit) ein Ballonregen auf Donald Trump niederging. Der 78-Jährige war offiziell bereits am Montag zum Präsidentschaftskandidaten gekürt worden, seine Annahmerede hielt er aber erst am Ende am Donnerstag. Am Tag davor hatte bereits sein just verkündeter Vizekandidat J.D. Vance sich an das Publikum gewandt. Das Duo und ihre Familien demonstrierten am Ende gemeinsam Einigkeit auf der Bühne.

Die Rede von Trump war der Abschluss einer mit hochkarätigen Rednern aus dem rechten Spektrum vollgepackten Woche. Bevor der Ex-Präsident die Bühne betrat, hatten unter anderem der Ex-Wrestler Hulk Hogan und der Musiker Kid Rock das Publikum eingeheizt. Hogon riss sich bei seinem Auftritt ein T-Shirt vom Leib – darunter trug er ein ärmelloses, knallrotes Shirt, auf dem «Trump – Vance 2024» stand. Kid Rock animierte das euphorische Publikum dazu, die Parole «Kämpft, kämpft» zu wiederholen.

Trump spricht über Attentat und hetzt gegen Migranten

In seiner mit Spannung erwarteten Rede nahm Trump dann unter grossem Jubel die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei an. Zu Beginn berichtete er auch von den Schreckmomenten des Attentates auf ihn. «Ich stehe hier vor euch, in dieser Arena, nur durch die Gnade des allmächtigen Gottes», sagt er und erinnerte auch an den Mann, der bei der Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Pennsylvania erschossen worden war. Dabei küsste er den auf der Bühne präsentierten Helm des ehemaligen Feuerwehrmannes.

Zwar warb Trump zu Beginn seiner Ansprache damit, ein «Präsident für ganz Amerika» sein zu wollen. Dann driftete er aber ab in seine übliche Wahlkampfrhetorik. So hetzte er unter anderem minutenlang gegen Migranten und benutzte in diesem Kontext entmenschlichende Sprache: «Wir sind zu einer Müllhalde für den Rest der Welt geworden – und der lacht uns aus. Die denken, dass wir dumm sind», sagte Trump. Im restlichen Teil der Rede beschäftigte er sich in ähnlich radikaler Manier mit Themen wie Inflation und innere Sicherheit. Er stellte sich ausserdem als Opfer der Justiz dar. Seinen neuen Vize Vance bedachte er hingegen nur mit wenigen Sätzen.

Bidens Wahlkampfteam warnte nach Trumps Rede vor einer erneuten Präsidentschaft des Republikaners, der eine «noch extremere Vision für das Land» verfolge. Darin bezogen sich die Demokraten konkret auch auf das Handbuch der rechtskonservativen Denkfabrik Heritage Foundation namens «Project 2025», das als radikale Blaupause für Trumps erste 180 Tage im Amt dienen könnte. Zwar versucht dieser offiziell Abstand zu der Schrift zu nehmen. Doch die Stiftung und die Republikanische Partei sind eng miteinander verbunden – sie gehört zu den Sponsoren des Parteitags in Milwaukee.

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