US-Regierung will der Ukraine Streumunition liefern
Es hat sich abgezeichnet: Die USA wollen die Ukraine im Krieg gegen Russland mit umstrittener Streumunition unterstützen. Auch Russland setze Streumunition ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Die US-Regierung möchte die Ukraine im Krieg gegen Russland mit Streumunition beliefern.
- Man habe den Entscheid so lange wie möglich aufgeschoben, so Sicherheitsberater Sullivan.
- Die Amerikaner begründen den Entscheid damit, dass auch Russland Streumunition einsetze.
Die US-Regierung will der Ukraine Streumunition zur Verteidigung gegen Russland liefern. Es sei eine schwierige Entscheidung gewesen. US-Präsident Joe Biden habe sich dennoch entschieden, diesen Schritt zu gehen, sagte der nationale Sicherheitsberater, Jake Sullivan, am Freitag im Weissen Haus.
Er verteidigte die Entscheidung: «Wir sind uns bewusst, dass Streumunition das Risiko birgt, dass Zivilisten durch nicht explodierte Munition zu Schaden kommen. Deshalb haben wir die Entscheidung so lange aufgeschoben, wie wir konnten.» Die Streumunition ist Teil eines neuen Militärhilfe-Pakets in Höhe von 800 Millionen US-Dollar (rund 711 Millionen Franken).
Russland setzt Streumunition ein
Die Ukraine würde die Streumunition im eigenen Land zur Verteidigung einsetzen, sagte Sullivan weiter. Auch Russland setze Streumunition in der Ukraine ein. Biden habe sich über den Schritt mit den Verbündeten abgesprochen: «Wir werden die Ukraine in dieser Konfliktphase zu keinem Zeitpunkt schutzlos zurücklassen. Punkt», betonte Sullivan.
Die Ukraine fordert bereits seit längerem die Lieferung von Streumunition. Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper – sogenannte Submunition – verstreuen oder freigeben.
Streumunition ist umstritten
Streumunition ist vor allem deswegen umstritten, weil ein erheblicher Prozentsatz ihrer Sprengkörper nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und so die Bevölkerung auch nach Ende eines Gefechts noch gefährdet.
In der US-Regierung von Präsident Joe Biden wird seit einer Weile über die Lieferung der viel kritisierten Munition diskutiert. Deutschland ist wie mehr als 100 weitere Staaten einem Vertrag zur Ächtung von Streumunition beigetreten – dem sogenannten Oslo-Übereinkommen. Die USA haben das Abkommen nicht unterschrieben.
«Unter keinen Umständen jemals...»
In dem Vertrag verpflichten sich Staaten, «unter keinen Umständen jemals Streumunition einzusetzen, zu entwickeln, herzustellen, auf andere Weise zu erwerben, zu lagern, zurückzubehalten oder an irgendjemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben».
Es heisst unter anderem, dass man entschlossen sei, «das Leiden und Sterben zu beenden», das durch Streumunition verursacht werde. Man sei besorgt, dass «Streumunitionsrückstände Zivilpersonen, einschliesslich Frauen und Kindern, töten oder verstümmeln» könnten.
Deutsche Bundesregierung signalisiert Verständnis
Die Bundesregierung hatte am Freitag mit Blick auf die Pläne der US-Regierung Verständnis signalisiert. «Wir sind uns sicher, dass sich unsere US-Freunde die Entscheidung über eine Lieferung entsprechender Munition nicht leicht gemacht haben», sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Die Forderung der Ukraine nach der Lieferung von Streumunition hatte bereits bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar für Aufsehen gesorgt. Der ukrainische Vizeregierungschef Olexander Kubrakow argumentierte damals, diese Art von Munition könne dazu beitragen, dass man den Angreifern standhalten könne. Aussenminister Dmytro Kuleba wies darauf hin, dass die Ukraine den völkerrechtlichen Vertrag zum Verbot des Einsatzes von Streumunition nicht unterzeichnet hat.
Streumunition könnte auf dem Schlachtfeld entscheidend sein
Zuletzt hatte sich angedeutet, dass die US-Regierung die Lieferung der viel kritisierten Munition in Erwägung zieht. Die Ukraine setzt diese – ebenso wie Russland – bereits ein. Der US-Sender CNN hatte jüngst berichtet, dass die ukrainische Gegenoffensive nicht die von der US-Regierung erhofften Fortschritte mache. Streumunition könnte den Ukrainern demnach auf dem Schlachtfeld helfen.
«Ich möchte anmerken, dass die Russen bereits Streumunition auf dem Schlachtfeld eingesetzt haben», hatte Pentagon-Sprecher Pat Ryder zu dem Thema gesagt. Die USA hätten Streumunition in ihren Beständen. Ryder verwies darauf, dass ältere Munition eine höhere Rate an Blindgängern aufweise. «Wir würden sorgfältig Geschosse mit einer geringeren Rate an Blindgängern auswählen, für die wir aktuelle Testdaten haben», so Ryder.
Die Vereinigten Staaten gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Nach Pentagon-Angaben haben die USA seit dem Kriegsbeginn Ende Februar 2022 militärische Hilfe im Umfang von mehr als 40 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt oder zugesagt.