Assad-Kämpfer flüchten jetzt nach Deutschland
Nach dem Sturz des Assad-Regime in Syrien versuchen Regimeanhänger offenbar über eine heimliche Fluchtroute über Libyen nach Deutschland zu flüchten.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem Sturz der Assad-Regierung wird erwartet, dass zahlreiche seiner Kämpfer flüchten.
- Laut Journalisten in Libyen gibt es eine Schmuggelroute, die nach Deutschland führt.
- Möglich ist auch, dass radikale Islamisten in unser Nachbarland flüchten werden.
Am Samstagnachmittag landete auf dem Flughafen von Bengasi (Libyen) eine Maschine der privaten syrischen Fluggesellschaft Cham Wings. An Bord waren 200 Offiziere der syrischen Armee. Sie hatten mit ihrer Ausreise die unblutige Übergabe der syrischen Hauptstadt an die Rebellen eingeläutet hatten. Nur Stunden später fiel Damaskus und damit auch das Regime von Machthaber Baschar al-Assad.
Nach Angaben von libyschen Journalisten befinden sich die erwähnten Offiziere nun auf dem Weg nach Deutschland. Möglich ist dies durch die enge Kooperation zwischen dem Milizenführer in Ostlibyen, Assad und dem russischen Militär.
Milizenführer Khalifa Haftar, hat der russischen Armee die Stationierung von Truppen erlaubt. Russland ist gerade damit beschäftig einen Grossteil seiner in Syrien stationierten Flugzeuge, Luftabwehrsysteme und Soldaten nach Libyen zu verlegen. Im Gegenzug garantiert der Kreml ihm seine Macht – ähnlich wie zuvor Assad in Syrien.
«Viele Assad-Täter werden nach Deutschland kommen»
Wie «focus online» berichtet, kämpfen an der Seite des libyschen Milizenführers schon seit Jahren syrische Söldner. Diese hatte Assad zur Unterstützung seines Verbündeten dorthin geschickt. Die Dreier-Allianz hatte 2023 – die syrische Opposition hatte sich scheinbar geschlagen nach Idlib zurückgezogen – eine Migrationsroute von Damaskus über Libyen bis nach Nordrhein-Westfalen eingerichtet.
Hunderte regimetreue Kämpfer und ihre Familien sollen seitdem über Bengasi im Westen Libyens und Sizilien nach Deutschland gebracht worden sein. Das berichten libysche Journalisten, die anonym bleiben möchten. Der Syrien-Experte Lawand Kiki vom Syrian Reporting Center warnt, dass diese Zahl mit dem Ende der Assad-Herrschaft drastisch ansteigen könnte.
Tausende Personen werden wegen Kriegsverbrechen gesucht, die sie während des 13-jährigen Bürgerkriegs begangen haben. Folter, willkürliche Verurteilungen und Morde in Syrien wurden nicht nur von Menschenrechtsorganisationen, sondern auch von staatlichen Stellen umfassend dokumentiert. Kiki betont: «Trotz der nun weiterverbreiteten Versöhnungsrhetorik werden viele Täter nach Deutschland kommen, um sich der Rache und Strafverfolgung in ihrer Heimat zu entziehen.»
Libysche Schmuggler setzen bei Syrer auf schnelle Holzboote
Über die Schmuggelroute entlang der über 2000 Kilometer langen Küste ist auch in Libyen nur wenig bekannt. Doch «Table.Briefings» berichtet mit Berufung auf libysche Kontaktpersonen, dass seit letztem Sommer zweimal wöchentlich bis zu 200 Passagiere aus Damaskus mit Maschinen der Fluggesellschaft Cham Wings in Bengasi landen.
Auf einigen Facebook-Seiten von Reisenden wird zudem eine alternative Route erwähnt, die über den von der Hisbollah kontrollierten libanesischen Grenzort Tfail führt. Nach einem heimlichen Grenzübertritt werden syrische Regimeanhänger mit Bussen zum Flughafen in Beirut gebracht, von wo aus sie nach Bengasi fliegen.
Nach der Ankunft kümmern sich demnach Mitglieder der Tareq-bin-Ziad-Brigade, einer Spezialeinheit der Libyschen Nationalarmee (LNA) unter Haftar, um den Weitertransport ins Stadtzentrum, bevor die Reisenden in Bussen weiter in die westlibysche Hafenstadt Sabratha gebracht werden.
Schon am Folgetag sollen die Boote mit den aus Deera oder Damaskus stammenden Regimeanhängern ablegen. Die libyschen Schmuggler setzen für syrische Migranten auf schnelle Holzboote, im Gegensatz zu den oft seeuntüchtigen Kähnen, in die sie Migranten aus West- und Zentralafrika drängen. Dadurch bleibt die syrische Migrationsroute häufig unbemerkt von Hilfsorganisationen und der italienischen Küstenwache.
Sorge vor Radikalen, die nach Deutschland flüchten
Wie viele Regimeanhänger nach dem Sturz des Regimes tatsächlich fliehen werden, hängt massgeblich vom Vorgehen der Rebellen ab. Abu Mohamed al-Dscholani, Anführer der HTS-Allianz, plädiert zwar für eine Versöhnung zwischen den politischen Gegnern. Doch die Ereignisse vor dem Saidnaya-Gefängnis am Sonntag lassen erahnen, wie gewaltsam die Vergeltung an den Anhängern des Regimes in den kommenden Monaten ausfallen könnte.
Laut Syrien-Experte Lawand Kiki ist aber auch nicht die Zahl der flüchtenden Regimeanhänger beunruhigen, sondern wer nach Deutschland komme. «Es wurden in diesen Einheiten auch Radikale angeheuert.» Vor den am vergangenen Wochenende eingetroffenen Offiziellen des Assad-Regimes waren es vor allem Kommandeure von Stadtteilmilizen, die in den letzten Monaten entwaffnet und demobilisiert wurden.
In den vergangenen Jahren hatten sie den vom Regime angestrebten Versöhnungsprozess mit der Bevölkerung erheblich behindert. Ein nach Deutschland geflohener syrischer Menschenrechtsaktivist sagt, dass diese Gruppen in Deraa und andere Orten rund um Damaskus «mit willkürlicher Brutalität» geherrscht hätten.
«In den letzten Jahren standen die Söldner auf den Lohnlisten der russischen Truppen. Doch wegen der vielen Morde störten sie und wurden nach Deutschland geschickt, um die syrische Opposition unter Druck zu setzen.»