Schwere Kämpfe zwischen Militärs im Sudan - Sorge vor Bürgerkrieg
Im nordostafrikanischen Sudan ist ein Machtkampf zwischen den zwei Generälen an der Spitze des Landes dramatisch eskaliert.
Bei Gefechten am Samstag und Sonntag in der Hauptstadt Khartum und anderen Orten starben mindestens Dutzende Zivilisten und Soldaten, Hunderte wurden verletzt. Panzer, Kampfflugzeuge und Artillerie waren in dicht besiedelten Stadtteilen im Einsatz. Bis Sonntagnachmittag blieb unklar, welche Seite die Oberhand hat. Die Ereignisse lösten weltweit Sorge vor einem schweren Bürgerkrieg in dem Staat mit rund 46 Millionen Einwohnern aus.
Hintergrund sind Spannungen zwischen Sudans De-Facto-Präsident und Oberbefehlshaber Abdel Fattah al-Burhan und seinem Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, auch Hemedti genannt, dem Anführer der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF).
Die RSF und das Militär haben seit dem Sturz des Diktators Omar al-Baschir 2019 faktisch die Macht im Land. Im Zuge des jüngst erneut verschobenen Übergangs zu einer zivilen Regierung sollten die RSF in die Streitkräfte eingegliedert werden, was zum Bruch zwischen den Verbündeten führte. RSF-Anführer Daglo warf al-Burhan vor, sich an die Macht zu klammern.
Die Kämpfe brachen unerwartet am Samstagmorgen in der Hauptstadt Khartum aus. Die RSF behaupteten, sudanesische Soldaten seien in ihr Hauptquartier im Süden der Stadt einmarschiert. RSF-Kräfte griffen den Flughafen im Norden der Stadt sowie den Präsidentenpalast an. Die Armee setzte Kampfflugzeuge und Panzer ein. Am Sonntag konzentrierten sich die Kämpfe weiter auf das nahegelegene Hauptquartier der Armee und das Gebäude des staatlichen Rundfunks. Beide Seiten meldeten immer wieder Kampferfolge, die einander widersprachen. Die Angaben beider Seiten konnten nicht unabhängig bestätigt werden.
Auch in anderen Teilen des Landes wie in den Provinzen Darfur und Nord-Kordofan soll es zu Kämpfen gekommen sein. Schwere Gefechte wurden auch aus der Stadt Merowe im Norden des Landes gemeldet.
Eine sudanesische Ärzte-Organisation teilte am Sonntagmorgen per Twitter mit, es gebe mindestens 56 zivile Todesopfer zu beklagen und Dutzende getötete Soldaten. Ausserdem seien in Krankenhäusern und anderen Versorgungsstellen knapp 600 Verletzte gezählt worden, von denen Dutzende in Lebensgefahr schwebten. Auch drei sudanesische Mitarbeiter des UN-Welternährungsprogramm (WFP) wurden getötet. Die sudanesischen Streitkräfte stimmten am Nachmittag einem Vorschlag der UN zu, ab 16.00 Uhr Ortszeit für drei Stunden einen humanitären Korridor zu schaffen, um Hilfskräften Zugang zu Toten und Verletzten zu gewähren. Die Vereinbarung bestehe allerdings nur solange sich auch die RSF an die Abmachung halte, teilte das Generalkommando der Streitkräfte mit.
Die Situation löste grosse internationale Bemühungen aus, die Konfliktparteien zu einem Ende der Gewalt zu bewegen. Der UN-Sicherheitsrat forderte in seltener Einigkeit von den Kontrahenten, das Blutvergiessen zu beenden und Gespräche zur Beendigung der Krise aufzunehmen. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen will am Montag über die Lage sprechen.
Mehrere wichtige regionale Organisationen trafen sich am Sonntag zu Krisensitzungen. Die Aussenminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens forderten ein Ende der Gewalt und die Aufnahme von Verhandlungen im Land. Riad und Abu Dhabi unterhalten gute Kontakte sowohl zu al-Burhan als auch zu Daglo. Kämpfer der sudanesischen Armee sowie der RSF unterstützen das von Saudi-Arabien geführte Militärbündnis im Krieg gegen die Huthi-Rebellen im Jemen.
Sudans Nachbarland Ägypten, das ebenfalls enge Verbindungen zu al-Burhan hat, soll unbestätigten Berichten zufolge bereits hinter den Kulissen Gespräche führen, um die Lage zu beruhigen. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi bot am Sonntag auch offiziell an, zu vermitteln.
Ein Ende der Gewalt forderten am Wochenende auch der Papst, UN-Generalsekretär António Guterres, US-Aussenminister Antony Blinken, der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell und Aussenministerin Annalena Baerbock.
Die Rhetorik der Kontrahenten machte hingegen wenig Hoffnung auf eine schnelle Lösung: Al-Burhan warf den RSF am Samstag in einem Interview mit dem Fernsehsender Al-Dschasira die Angriffe vor. RSF-Anführer Daglo forderte dagegen, al-Burhan und seine Verbündeten vor Gericht zu stellen. Sein Rivale sei schuld an dem Konflikt und werde entweder gefangen genommen «oder wie ein Hund sterben», sagte Daglo zu Al-Dschasira. Das Militär verbreitete eine Stellungnahme über Facebook, in der es hiess, Verhandlungen mit den RSF werde es nicht geben, die Gruppe müsse sich auflösen.
Die RSF hatten sich 2013 aus Milizen im westlichen Bundesstaat Darfur zusammengeschlossen. Bei dem jahrzehntelangen Konflikt dort galten sie als brutal agierende Unterstützer der arabisch dominierten Regierung, die gewaltsam gegen die afrikanische Minderheit vorgingen. Die Gruppe und ihr Anführer Daglo wurden für Massenvergewaltigungen und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht. Nach dem Sturz von Machthaber al-Baschir 2019 galt Daglo als mächtigster Mann im Sudan. Die Regierungsgeschäfte übernahm aber al-Burhan, der Generalinspekteur der Streitkräfte. Daglo wurde später al-Burhans Stellvertreter im regierenden Übergangsrat.