Unruhen im Westjordanland - Sorge vor Erstarken der Hamas
Israel geht nach dem brutalen Terrorangriff der Hamas auch im besetzten Westjordanland mit harter Hand gegen die Islamistenorganisation vor.
Israel geht nun auch im besetzten Westjordanland mit harter Hand gegen die Islamistenorganisation vor. Ziel ist es, ihr Erstarken dort zu verhindern. Bei Auseinandersetzungen mit der Armee sowie mit radikalen israelischen Siedlern starben seit dem 7. Oktober bereits mehr als 130 Palästinenser.
Der ohnehin angeschlagene Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat weder der Gewalt der Siedler noch der Gewalt extremistischer Palästinenser etwas entgegenzusetzen.
Solidaritätskundgebungen mit den Menschen im Gazastreifen
Bei Solidaritätskundgebungen mit den Menschen im Gazastreifen angesichts der massiven israelischen Gegenschläge versuchten einige Demonstranten Berichten zufolge, Regierungsgebäude von Abbas' palästinensischer Autonomiebehörde (PA) zu erreichen. Sicherheitskräfte hinderten sie demnach daran. Zu den Kundgebungen gegen Israel, die Berichten zufolge auch von Hamas-Mitgliedern organisiert werden, kamen Tausende.
Die Strategie der PA basiere derzeit darauf, «öffentliche Proteste als Ventil für palästinensische Beschwerden zuzulassen», schreibt Neomie Neumann von der US-Denkfabrik Washington Institute. Die Behörde wolle zugleich verhindern, dass die Demonstrationen gewalttätig werden, um keinen Kontrollverlust zu riskieren. Denn davon könne die konkurrierende Hamas profitieren.
Präsident Mahmud Abbas leitet die PA sowie die säkulare Fatah-Fraktion innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Die Fatah und die Hamas sind die beiden grössten Palästinenserorganisationen – und erbitterte Rivalen.
Die bislang letzte Präsidentenwahl fand 2005 statt, die letzte Parlamentswahl 2006. Nach Umfragen sind viele Palästinenser sehr unzufrieden mit dem 87-jährigen Abbas. Eine grosse Mehrheit will seinen Rücktritt. Die Autonomiebehörde ist immer wieder mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert.
Rechtsextreme Politiker in der israelischen Regierung
Schuld an der zunehmenden Siedlergewalt seien auch einige rechtsextreme Politiker in der israelischen Regierung, die diese verteidigten, schreibt der Analyst Alex Lederman im US-Magazin «Time». Soldaten im Westjordanland seien oftmals selbst Siedler, und Täter müssten nur selten mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.
Trotz der grossen Unzufriedenheit mit der als korrupt geltenden Autonomiebehörde sehe er derzeit aber keine Anzeichen für einen Umsturz oder eine Übernahme der Geschicke im Westjordanland durch die Hamas, sagt Analyst Harb der Deutschen Presse-Agentur.
Umfragen zeigen nach Angaben der Wissenschaftlerin Neumann vom Washington Institute zwar, «dass die lokale Bevölkerung grosse Vorbehalte gegenüber der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Fatah-Partei hat, Hamas jedoch auch nicht als Lösung sieht.» Harb geht aber davon aus, dass die Zustimmungswerte im Westjordanland für die Hamas seit den Terrorangriffen auf Israel gestiegen sind.
Bislang gebe es eine relative Zurückhaltung der Bevölkerung in dem Palästinensergebiet, betont Neumann. Im Falle dramatisch steigender Todeszahlen im Gazastreifen oder bei einem unerwarteten militärischen Versagen der Israelis dort könne sich dies jedoch ändern. Vorerst sei es der Hamas in ihrem Krieg gegen Israel nicht gelungen, eine zweite Front im Westjordanland zu eröffnen.
Stabilität im Westjordanland
Um die Stabilität im Westjordanland zu wahren, müsse Israels Regierung «gegen palästinensische und jüdische Gewalt gleichermassen» vorgehen, betont der Analyst Lederman im «Time»-Magazin. Die Siedlergewalt bedrohe auch die Integrität der israelischen Demokratie und die Sicherheit des Landes.
Die Stationierung einer grossen Anzahl an Soldaten im Westjordanland zum Schutz der Siedler habe zudem zu einer Vernachlässigung der Sicherheit an anderen Grenzen geführt. Über die Grenze zum Gazastreifen waren am 7. Oktober Tausende Terroristen eingedrungen, um Massaker in Israel zu verüben.