Welternährungsprogramm: Im nördlichen Gazastreifen herrscht Hungersnot
Angaben des World Food Programmes zufolge gebe es im nördlichen Gazastreifen bereits eine ausgewachsene Hungersnot. Die humanitäre Lage spitzt sich weiter zu.
Nach Einschätzung der Direktorin des Welternährungsprogramms (WFP) der Vereinten Nationen, Cindy McCain, herrscht im Norden des Gazastreifens bereits eine Hungersnot. «Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass es im Norden eine ausgewachsene Hungersnot gibt, die sich in den Süden ausbreitet», sagte McCain in einem Interview mit dem US-Fernsehsender NBC. Das Interview sollte am Sonntag in voller Länge ausgestrahlt werden – vorab veröffentliche der Sender bereits einen kurzen Auszug aus dem Gespräch.
Experten warnen seit längerem vor einer Hungersnot in dem Kriegsgebiet. Bislang ist die Lage in Gaza aber nicht offiziell als solche eingestuft. Eine internationale Klassifizierung als Hungersnot erfolgt erst nach einem komplexen bürokratischen Verfahren. McCain betonte auf Nachfrage, ihre Einschätzung basiere auf dem, was die WFP-Mitarbeiter vor Ort sähen und erlebten. Sie beklagte eine dramatische humanitäre Lage und betonte: «Es ist so schwer, das anzusehen.»
Es sei nun dringend zu hoffen, dass bald eine Waffenruhe ausgehandelt sei, damit die Menschen im Gazastreifen mit Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und sanitären Einrichtungen versorgt werden könnten, sagte McCain weiter. «All das ist Teil der Hungersnot.» Sie mahnte, die Welt dürfe nicht zulassen, dass es so weitergehe. Gerade in der heutigen Zeit, in der es weltweit mehr als ausreichend Nahrungsmittel gebe, sollte niemand verhungern, betonte die US-Amerikanerin.
Hintergrund der Notlage im Gazastreifen sind massive Bombardierungen und eine Bodenoffensive Israels in dem abgeriegelten Küstengebiet. Israel reagierte mit der Militäroffensive auf das schlimmste Massaker in der Geschichte des Landes, bei dem Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel rund 1200 Menschen ermordet und 250 entführt hatten. Nach palästinensischen Angaben wurden im Gazastreifen seit Kriegsbeginn mehr als 34'000 Menschen getötet.
In den vergangenen Monaten hatten die USA und andere enge Verbündete Israels zunehmend Druck auf die dortige Regierung gemacht, mehr Hilfslieferungen in das abgeriegelte Küstengebiet zu lassen. Aufgrund der verzweifelten Lage hatten die USA, Deutschland und andere Länder ausserdem den Abwurf von humanitären Gütern aus der Luft sowie die Einrichtung eines Hilfskorridors über den Seeweg veranlasst.
International anerkannte Experten der IPC-Initiative für die Analyse von Nahrungskrisen hatten im März gewarnt, dass in Teilen des Gazastreifens eine Hungersnot unmittelbar bevorsteht. Im Norden werde diese voraussichtlich zwischen Mitte März und Mai eintreten, hiess es.