Wladimir Putin: Steckt er selber hinter dem Anschlag in Moskau?
Mindestens 139 Menschen kamen durch den Terroranschlag in Moskau ums Leben. Es wird darüber spekuliert, wer genau dahinter steckt. Ein Experte ordnet ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Der IS hat den Terroranschlag in Moskau für sich reklamiert.
- Putin nimmt die Ukraine aber nicht aus dem Spiel. Andere wiederum geben Putin die Schuld.
- Osteuropa-Experte Nicolas Hayoz glaubt nicht an Putin als Mit-Verursacher.
Am Freitagabend stürmten mehrere bewaffnete Angreifer in Tarnkleidung eine Konzerthalle bei Moskau. Sie schossen um sich und töteten mindestens 139 Menschen. Über 180 weitere Personen wurden verletzt. Darunter auch fünf Kinder.
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den Angriff derweil für sich reklamiert. Die IS-Signatur ist gemäss verschiedener Experten klar zu erkennen. Russland ist jedoch nicht bekannt dafür, ein primäres Ziel des IS zu sein. Wieso wurde das Land trotzdem zu einem Ziel der Terrororganisation?
Russland steht schon länger im Fokus von islamistischen Gruppierungen
Ein kleiner historischer Exkurs zeigt: Russland steht schon längere Zeit im Fokus von islamistischen Gruppierungen, wie Nicolas Hayoz, Osteuropa-Experte und Professor an der Universität Freiburg, erklärt.
Tschetschenien ist eine verhältnismässig kleine autonome Republik Russlands, die hauptsächlich von muslimischen Menschen bewohnt wird. Sie liegt im Südwesten Russlands und grenzt im Süden an Georgien.
Die Provinz kämpfte nach der Auflösung der Sowjetunion für ihre Unabhängigkeit, was zwei blutige Kriege herbeiführte. Tausende Muslime wurden ermordet. Der zweite Tschetschenienkrieg dauerte von 1999 bis 2009 und fand unter der Führung von Wladimir Putin statt. Seither ist Tschetschenien vollkommen unter russischer Kontrolle, doch es herrschen immer noch starke Spannungen.
Hayoz erklärt: «IS betrachtet den terroristischen Grossangriff in Moskau als Racheakt für Russlands Rolle in der Unterdrückung von muslimischen Gruppen. Wie sehr das so stimmt, mag dahingestellt sein. Aber zweifellos haben die Terroristen einen sehr günstigen Zeitpunkt gefunden, um dem russischen Staat maximal zu schaden.» Islamisten hätten aber schon vor 2020 in Russland Attentate verübt.
«Paranoid und wirklichkeitsfremd»
Nun behaupten mehrere Experten – so etwa der ehemalige Oberst des russischen Militärnachrichtendienstes Igor Salikow – dass der Kreml den blutigen Anschlag habe inszenieren lassen. «Ich erkenne die Handschrift meiner ehemaligen Kollegen vom russischen Geheimdienst», sagt Salikow zu «CH Media».
Auch das Aussenministerium in Kiew spricht die Vermutung aus, dass Russland selbst hinter dem Attentat stecken könnte.
Hayoz glaubt aber nicht daran, dass der Anschlag vom Freitag von Putin eingefädelt wurde: «Bei einem autoritären Regime kann man durchaus annehmen, dass es immer wieder versuchen wird, alles zu tun, um die Macht zu erhalten und Repression auszuweiten. Aber im vorliegenden Fall ist das nicht anzunehmen.» Hier würden viele Experten eindeutig die Handschrift des IS sehen.
«Russland hat den Feind in der Ukraine konstruiert»
Viel schlimmer sei, so Hayoz, dass das Putin-Regime der Ukraine die Schuld geben will für den terroristischen Angriff. «Was ja nur zeigt, wie paranoid oder wirklichkeitsfremd das Regime selbst geworden ist.»
Denn Russland hatte erklärt, dass die mutmasslichen Attentäter auf dem Weg in die Ukraine gewesen seien. Moskau schreibt der Ukraine somit eine Beteiligung am Terrorangriff zu. Obwohl Putin dann am Montag leicht zurückkrebste, nahm er die Ukraine immer noch nicht aus dem Spiel.
Für Hayoz steht fest: «Russland hat den Feind in der Ukraine konstruiert, aber sieht nicht den reellen Feind, der terroristisch vorgeht und maximalen Schaden verursachen will.»