Zurück in Einzelzelle: Kardinal Pell scheitert mit Einspruch
Fünf Monate sitzt Kardinal Pell schon wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen im Gefängnis. Trotzdem hoffte er auf einen Freispruch. Aber daraus wird nichts. Der ehemalige Finanzchef des Vatikans muss zurück in seine Einzelzelle. Freilassung: frühestens 2022.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Hoffnung auf einen Freispruch hat sich für den ehemaligen Vatikan-Finanzchef George Pell zerschlagen: Der Kardinal aus Australien muss wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen im Gefängnis bleiben.
Der Oberste Gerichtshof in Melbourne wies am Mittwoch seinen Einspruch gegen die Verurteilung zu sechs Jahren Haft zurück. Die Richter verzichteten auch darauf, einen neuen Prozess anzusetzen. Damit kann der 78-Jährige frühestens im Oktober 2022 aus der Haft entlassen werden.
Als Finanzchef war Pell unter Papst Franziskus jahrelang praktisch die Nummer drei in der Hierarchie des Kirchenstaats. Er ist der ranghöchste katholische Geistliche, der jemals wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt wurde. Die Entscheidung des Supreme Court bedeutet für ihn eine grosse Enttäuschung. Jetzt hat er nur noch die Chance, Australiens höchstes Gericht anzurufen. Ob er davon Gebrauch machen wird, liess er offen.
Das Urteil nahm der Kardinal ohne grosse Regung auf. Meist blickte er zu Boden. Nach den ersten fünf Monaten Gefängnis war Pell jedoch anzusehen, dass ihm die Haft zu schaffen macht. Er wirkte schwächer als früher. Aus Sorge, dass ihm andere Häftlinge etwas antun könnten, sitzt er in einer Einzelzelle. 23 Stunden des Tages verbringt er allein. Nach dem Urteil wurde er dorthin zurückgebracht.
In einer schriftlichen Stellungnahme liess Pell erklären, er sei «offensichtlich enttäuscht». Zugleich bekräftigte er abermals seine Unschuld. Dagegen äusserten sich der Mann, den der Kardinal nach Feststellung der Justiz vor fast 25 Jahren missbraucht hatte, zufrieden. Ein Opfer-Anwalt rief sogar: «Halleluja. Das ist der Beweis, dass es Gott gibt.» Der Vatikan will mit Konsequenzen abwarten, ob der Fall in eine weitere Runde geht. Damit darf Pell einstweilen Priester und Kardinal bleiben.
Missbrauchsvorwürfe gegen ihn gibt es schon seit Jahren. Der Fall, der vor Gericht kam, reicht bis 1996/97 zurück. Damals war Pell gerade Erzbischof von Melbourne geworden. Nach einem Gottesdienst verging er sich dem Urteil zufolge an zwei Chorknaben, die erst 13 Jahre alt waren. Einen der Jungen zwang er demnach zum Oralsex. Zudem soll Pell ihn später erneut bedrängt haben. Von den Jungen lebt nur noch einer. Der 35-Jährige war der entscheidende Belastungszeuge.
Nachdem ein erster Prozess geplatzt war, sprach ein Geschworenengericht den Kardinal einstimmig schuldig. Dieses Urteil wollte Pell nun wegen Verfahrensfehlern aufheben lassen. Zudem argumentierte er, dass es ihm schon wegen der Bischofsgewänder unmöglich gewesen wäre, die Jungen zu missbrauchen.
Der Supreme Court - das höchste Gericht des Bundesstaats Victoria - sah dies jedoch anders. Die drei Berufsrichter lehnten den Einspruch ab. Die Entscheidung erging mit einer Mehrheit von 2:1. Die Vorsitzende Richterin Anne Ferguson wies alle Zweifel an dem Belastungszeugen zurück. Der Mann sei eindeutig «kein Lügner». Das Gericht bestätigte auch, dass Pell frühestens in drei Jahren eine vorzeitige Haftentlassung beantragen kann. Er wäre dann 81 Jahre alt.
Der Fall ist seit jeher umstritten. Pells Fürsprecher behaupten, dass der prominente Kardinal zum Sündenbock für die Missbrauchsskandale der katholischen Kirche insgesamt gemacht werden solle. Wahrscheinlich ist nun, dass Pell vor Australiens höchstes Gericht zieht. Bis Mitte September hat er Zeit, darüber zu entscheiden.
Anfang des Monats hatte sich der Kardinal mit einem handgeschriebenen Brief an seine Anhänger gewandt. «Mein Glaube an unseren Herrn - wie Eurer - ist eine Quelle der Stärke», heisst es darin. «Das Wissen, dass mein kleines Leiden guten Zwecken dienen kann, indem man es mit dem Leiden Jesu verbindet, gibt mir Sinn und Richtung.»