Xi Jinping

Mit 70 steht Xi Jinping «erst am Anfang»

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China,

Alter spielt für Xi Jinping auch an seinem 70. Geburtstag keine Rolle. Er steuert China politisch und wirtschaftlich nach links – und aussenpolitisch nach rechts. Das Ziel ist eine neue Weltordnung.

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Experten zufolge schürt er mit einer immer selbstbewussteren Aussenpolitik Nationalismus: Xi Jinping. - Mark Schiefelbein/AP/dpa

Selten lässt Xi Jinping so tief in seine Seele blicken. Während jeder fünfte junge Mensch in Chinas Städten keinen Job findet, forderte der Staats- und Parteichef die junge Generation kürzlich auf, doch jetzt «Bitternis zu essen» (chi ku) – eine in China besonders gepflegte Tugend, leidensfähig zu sein und Mühsal erdulden zu können.

Er erinnerte an seine eigenen jungen Jahre, als er während der Kulturrevolution (1966-76) wie Millionen andere zur Arbeit aufs Land geschickt wurde. Seht her: Es hat mir nicht geschadet, sondern mich an die Spitze der Kommunistischen Partei gebracht.

An seinem 70. Geburtstag am 15. Juni ist der «Vorsitzende von allem» der mächtigste chinesische Führer seit Staatsgründer Mao Tsetung. Sein Gesundheitszustand ist Staatsgeheimnis, aber Alter spielt für ihn machtpolitisch keine Rolle. Er setzte sich über Amtszeit- und Altersbegrenzungen hinweg, liess sich seine Führungsrolle in die Parteiverfassung schreiben – könnte damit praktisch bis ans Lebensende regieren. Er hat in China eine «neue Ära» geschaffen, wie es in der Verfassung heisst. Jetzt soll eine neue Weltordnung folgen.

Starker Mann

Was ihn noch geprägt hat: Der Zusammenbruch der Sowjetunion, aus dem er «profunde Lehren» für China gezogen hat. «Ein wichtiger Grund war, dass sie in ihren Überzeugungen und Idealen schwankten.» Ein «leises Wort» von Michail Gorbatschow habe gereicht, um die Partei aufzulösen. «Am Ende fehlte ein echter Mann», zitierten ihn Hongkonger Zeitungen. Das soll China nicht passieren. Gerne spricht der Parteichef von «rauer See» und «gefährlichen Stürmen», auf die sich alle vorbereiten müssten – mit ihm als Steuermann.

Auch nach der russischen Invasion in der Ukraine hält Xi Jinping zu seinem Freund Wladimir Putin, macht gemeinsam Front gegen die Supermacht USA und die von ihr dominierte westliche Ordnung. Nicht wenige Chinesen folgen seiner Propaganda, weil sie fürchten, «wenn Russland fällt, ist China als nächstes dran», wie es oft heisst.

Radikaler Wandel

Xi Jinping verabschiedete sich von der alten aussenpolitischen Doktrin des Reformarchitekten Deng Xiaoping (1904-1997), «die Stärken zu verstecken und auf den richtigen Zeitpunkt zu warten». China tritt heute in der Welt forsch auf, wird zunehmend als Bedrohung empfunden. «Xi Jinping sieht den Aufstieg Chinas zu einer Weltmacht auf Augenhöhe der USA als ein legitimes Ziel», sagt der Experte Nis Grünberg vom China-Institut Merics in Berlin. «Er hat sich die Wiederkehr zum Grossmachtstatus zu seiner persönlichen Aufgabe gemacht.»

Auch diesen Grundsatz Deng Xiaopings hat Xi Jinping aufgegeben: «Es ist egal, ob eine Katze schwarz oder weiss ist. Hauptsache, sie fängt Mäuse.» Zwar ist Pragmatismus in der Wirtschaft noch nicht ganz abgeschrieben. Doch für Xi Jinping stehen Ideologie und Loyalität zur Partei im Mittelpunkt allen Handelns. Schon nach der Kulturrevolution habe Xi Jinping beschlossen, «roter als rot zu werden, um zu überleben», wusste ein Freund zu berichten, wie aus einem US-Geheimdienstbericht hervorging.

Glaube an Partei

«Xi Jinping ist ein überzeugter Parteianhänger», sagt Experte Grünberg. «Er glaubt an die einende Kraft der Partei, ihre Ideologie und deren stärkende Macht als Organisation – der Kitt, der China zusammenhalten soll.» Als Sohn von Vizepremier Xi Zhongxun wuchs Xi Jinping im «roten Adel» auf. Die Partei als legitime Führungskraft ist in ihm als «Prinzling» verankert.

Eine Demokratisierung und den damit verbundenen Machtverlust will er unbedingt verhindern und den Erhalt der Parteistärke forcieren. «Dies erklärt den enormen Fokus auf Ideologie und Parteitreue, die Xi Jinping immer wieder betont», sagt Grünberg. «Die Partei muss gesellschaftlich politische und ideologische Hegemonie anstreben und intern völlige Loyalität sichern.»

Wo steuert er China hin?

Politisch und wirtschaftlich schiebe Xi Jinping das Land nach links, aber aussen- und sicherheitspolitisch steuere er nationalistisch nach rechts, schildert der Sinologe Kevin Rudd, ehemaliger australischer Ministerpräsident und heute Präsident der Asia Society. Der grosse Vorsitzende habe die Kontrolle der Partei auf alle Bereiche der öffentlichen Ordnung und des Privatlebens verstärkt, staatseigene Unternehmen wiederbelebt und den Privatsektor an die Leine gelegt.

Mit einer immer selbstbewussteren Aussenpolitik schüre Xi Jinping den Nationalismus. Der Parteichef sei angetrieben «von der marxistisch inspirierten Überzeugung, dass die Geschichte unwiderruflich auf der Seite Chinas steht und eine Welt, die in der Macht Chinas verankert ist, eine gerechtere internationale Ordnung hervorbringen würde», schrieb Rudd im Magazin «Foreign Affairs». Nach Überzeugung des China-Kenners könnte Xi Jinping «erst am Anfang» stehen – auch an seinem 70. Geburtstag.

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