Türkei: Es kommen noch mehr Migranten
Das Wichtigste in Kürze
- Trotz der brisanten Lage an der griechischen EU-Aussengrenze kündigt die Türkei an, noch viel mehr Migranten nach Europa ziehen zu lassen.
Auch für die notleidenden Menschen in der syrischen Krisenregion Idlib würden sich die Türen öffnen, «und letztendlich werden sich alle auf den Weg nach Europa machen», wie Innenminister Süleyman Soylu am Donnerstag sagte. Schon jetzt warten Tausende an der Grenze zu Griechenland, in der Hoffnung auf Zuflucht in Europa.
Der Minister sagte zugleich: «Das ist keine Drohung oder Erpressung.» Grund sei «das unmenschliche Verhalten» des Regimes in Syrien, das Millionen in grosse Not bringe.
In Idlib, der letzten Rebellenhochburg, sind die Regierungstruppen mit russischer Unterstützung auf dem Vormarsch, ungeachtet eines türkischen Militäreinsatzes auf syrischem Gebiet. Gleichzeitig hat sich die Notlage der Menschen Idlib dramatisch verschlechtert. Fast 950.000 der drei Millionen Einwohner der Region sind nach UN-Angaben auf der Flucht.
Weiter kündigte der türkische Innenminister an, 1000 Polizisten an die Grenze zu Griechenland zu schicken, um sogenannte «Push-Backs» von Migranten zu verhindern. «Um zu verhindern, dass sie zurückgedrängt werden, haben wir heute Morgen 1000 voll ausgestattete Spezialpolizisten an den Fluss Meric geschickt», sagte Soylu. Der Grenzfluss Evros heisst auf Türkisch Meric.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Samstag erklärt, die Grenzen in die EU seien geöffnet. Daraufhin hatten sich Tausende von Migranten auf den Weg an die griechische Grenze gemacht, von denen noch immer viele im türkischen Grenzgebiet ausharren.
Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Francesco Rocca, sagte im griechischen Kastanies, es sei traurig, dass versucht werde, Menschen als politische Waffe einzusetzen. «Das ist unakzeptabel.»
Griechenland drängt die Migranten immer wieder auch mit dem Einsatz von Tränengas zurück. Ankara wirft den griechischen Grenzpolizisten zudem vor, Migranten, die es nach Griechenland geschafft haben, unrechtmässig zurückzuschicken.
Nach türkischen Angaben war am Mittwoch ein Migrant von griechischen Sicherheitskräften erschossen worden. Athen wies das entschieden zurück. Nach Angaben von Soylu wurden zudem 164 Migranten verletzt.
In Mytilini, der Hauptortschaft der griechischen Insel Lesbos, wurden rund 500 Migranten gruppenweise auf ein Schiff der Kriegsmarine im Hafen untergebracht. Diese Menschen sollen aber demnächst in ein geschlossenes Abschiebelager gebracht und von dort in ihre Herkunftsländer ausgewiesen werden. Auch auf anderen Inseln im Osten der Ägäis würden die neu Angekommenen zwecks Ausweisung festgehalten. Auf Lesbos leben derzeit nach Angaben des griechischen Migrationsministeriums mehr als 20.000 Flüchtlinge und Migranten.
Angesichts des Andrangs der Migranten an der griechischen EU-Aussengrenze setzt die Bundesregierung auf eine geschlossene europäische Antwort und mehr Hilfe auch für die Türkei. «Für uns ist klar: Die EU muss die Anstrengungen der Türkei bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten weiterhin auch verstärkt finanziell unterstützen», sagte Aussenminister Heiko Maas vor seinem Abflug zu einem EU-Aussenministertreffen in Zagreb. «Denn die Türkei ist weltweit das grösste Aufnahmeland von Flüchtlingen, und eine faire Lastenteilung ist auch in unserem Interesse. Aber ebenso klar ist unsere Erwartung, dass sich die Türkei im Gegenzug auch an die EU-Türkei-Erklärung hält», sagte Maas. Die Erklärung Erdogans, die Grenze sei offen, verstösst aus EU-Sicht gegen das Flüchtlingsabkommen der EU mit Ankara.
Die EU-Innenminister unterstützen das griechische Vorgehen. «Illegale Grenzübertritte werden nicht toleriert», heisst es in einer Erklärung, auf die sich die EU-Innenminister am Mittwoch geeinigt hatten.
Ein Brüsseler Sechs-Punkte-Plan sieht vor, dass die EU-Asylagentur Easo 160 Experten der EU-Staaten entsendet. Die Grenzschutzagentur Frontex soll ausserdem ein neues Programm für schnelle Rückführungen für jene Menschen auflegen, die nicht in Griechenland bleiben dürfen.
Deutschland will Griechenland mit 20 zusätzlichen Grenzschützern und einem seetauglichen Hubschrauber unterstützen. Bisher beteiligten sich 60 Bundespolizisten an den Frontex-Einsätzen in Griechenland. Die dortigen Sicherheitsbehörden rechneten laut Staatsrundfunk auch am Donnerstag mit einem erneuten Andrang von Menschen.