Auch Kreml soll von Anschlagsgefahr gewusst haben
Das Wichtigste in Kürze
- Laut Berichten sollen russische Sicherheitsdienste vor Anschlägen gewarnt haben.
- Wegen IS-Vorfällen in anderen Ländern war die Terrorgefahr als hoch eingestuft worden.
- Ein Kremlkritiker sagt, Putin hätte reagieren können.
Mindestens 143 Menschen starben beim Anschlag auf die Moskauer Konzerthalle Crocus City Hall vor gut einer Woche. Rund ebenso viele Personen wurden verletzt. Der Angriff kam als Schock, nicht aber überraschend: Washington warnte zuvor – und auch die Sicherheitsdienste im Kreml sollen sich der Gefahr bewusst gewesen sein. Dies berichtet «CNN» unter Berufung auf die Investigativ-Organisation «Dossier Center», der Dokumente russischer Geheimdienste vorliegen.
Anfang März warnten die USA Russland trotz der Spannungen vor möglichen Anschlägen. Wladimir Putin tat die Warnungen als Provokation ab, Washington wolle Russland destabilisieren.
Das von Kremlkritiker Michail Chodorkowski finanzierte «Dossier Center» berichtet, dass der russische Sicherheitsrat auch Tage vor dem Anschlag gewarnt wurde. «Tadschikische Staatsbürger könnten für Terrorangriffe in Russland eingesetzt werden», soll die Warnung der russischen Sicherheitsdienste gelautet haben. Aktivitäten des IS-K, eines zentralasiatischen Ablegers des Islamischen Staates, seien beobachtet worden, steht in den Geheimdienst-Dokumenten.
Auch in anderen Ländern wurden IS-Aktivitäten vermeldet. So haben tadschikische Staatsbürger einen Anschlag auf den Kölner Dom geplant. Auch in Kirgistan wurden IS-K-Mitglieder wegen Anschlagspläne verhaftet. Russland hat diese Vorfälle gemäss «Dossier Center» verfolgt, die Terrorgefahr in Russland wurde dann auch als hoch eingestuft.
Polizei kam eine Stunde nach ersten Schüssen an
Dennoch war Russland nicht auf den Anschlag vorbereitet: Gemäss «Dossier Center» kamen die ersten Polizisten rund eine Stunde nach den ersten Schüssen bei der Crocus City Hall an. Die Bereitschaftspolizei hat ihr Hauptquartier aber bloss drei Kilometer entfernt. Zudem gelang es den vier Angreifern bis nach Brjansk zu fliehen, die Stadt ist rund 400 Kilometer von Moskau entfernt.
Der ehemalige russische Politiker und jetzige Exilant Ilja Ponomarjow kritisiert auf «CNN» dann auch die russische Führung: «Wir sehen sehr deutlich, dass Wladimir Putin auf zahlreiche Warnungen hätte reagieren können.»