Bosnien und Herzegowina: Die Geschichte des Landes
Die Geschichte von Bosnien-Herzegowina dreht sich um die Entwicklung der bosnisch-herzegowinischen Republik sowie die Zeit vor deren Etablierung.
Das Wichtigste in Kürze
- Bosnien war eine der wichtigsten Provinzen des Osmanischen Reiches.
- 1914 war die Stadt Sarajevo Schauplatz des Attentates auf Franz Ferdinand.
- Der Bosnien-Krieg begann im April 1992 und hinterliess viele Spuren.
Bosnien-Herzegowina besteht aus zwei historischen Regionen: Bosnien und die Herzegowina. Der Landesname Bosnien leitet sich vom Fluss Bosna ab, welcher in der Nähe von Sarajevo seinen Ursprung hat. Der Name Herzegowina geht auf den von Stjepan Vukcic Kosaca verwendeten Herrschertitel Herceg – übersetzt Herzog – zurück.
Erste Bewohner und römische Herrschaft
Die Illyrer waren die ersten Bewohner des Gebietes, über die historische Informationen vorliegen. Sie besiedelten vor rund 3200 Jahren die westliche Hälfte der Balkanhalbinsel und damit auch Bosnien.
Die illyrischen Gebiete wurden später in das Römische Reich eingegliedert. Von der römischen Präsenz zeugen heute noch viele Ausgrabungsfunde.
376 nach Christus überschritten die Westgoten die Donaugrenze. 378 kam es zur Schlacht von Adrianopel, in der die Goten siegten. Die Verlagerung der ostgotischen Macht nach Italien bot die Voraussetzung dafür, dass Kaiser Justinian I. das Gebiet des späteren Bosniens unter byzantinische Herrschaft bringen konnte.
Die slawische Besiedelung
Der exakte Verlauf der slawischen Besiedelung auf dem Balkan im sechsten Jahrhundert lässt sich nicht rekonstruieren. Um 620 waren die Slawen vermutlich in weite Teile Bosniens vorgedrungen.
Im achten und neunten Jahrhundert lebten die slawischen Stämme in Bosnien an den Rändern der grossen Reiche jener Zeit. Neben der Byzanz kam das Bulgarenreich als neue Grossmacht auf dem Balkan hinzu.
Erste serbische und kroatische Fürstentümer
Im neunten Jahrhundert bildeten sich die ersten kroatischen und serbischen Fürstentümer, welche auch Teile Bosniens einschlossen. Ein Teil des Landes gehörte zu Kroatien, ein anderer zur bulgarischen Herrschaft und weitere Teile standen unter serbischer Herrschaft.
Nach dem Tod des kroatischen Königs gingen bosnische Gebiete verloren und der grösste Teil wurde vom serbischen Fürstentum eingenommen. Dieses anerkannte wiederum selbst die Oberherrschaft des byzantinischen Kaiserreichs. Die Byzantiner verloren später jedoch die Kontrolle über die im Nordwesten gelegenen Gebiete, weshalb das serbische Fürstentum Doclea entstand.
Bosnien wird ein eigenständiges Fürstentum
Bosnien blieb ein umstrittenes Land. Weder die Kroaten und Ungarn noch die Serben konnten ihre Herrschaft stabilisieren. Im 12. Jahrhundert entstand daher ein mehr oder weniger eigenständiges Fürstentum.
Beginnend mit der Herrschaft des aus Slawonien stammenden Ban Boric seit 1154 war Bosnien ein halbautonomes Fürstentum. Er war ein Vorfahr der Familie Kotromanic, welche im 14. Jahrhundert ein unabhängiges Königreich Bosnien errichtete.
Bosnien-Herzegowina unter osmanischer Herrschaft
Seit den 1380er Jahren begannen die Osmanen, Einfälle auch nach Serbien zu unternehmen. König Trvtko schickte ein starkes bosnisches Heer, das im Juni 1389 in der Schlacht auf dem Amselfeld kämpfte.
Tvrtkos Tod 1391 brachte für Bosnien eine längere Zeit schwacher Regierungen. Die Osmanen fielen in bosnisches Territorium ein. Im folgenden Jahr wurde die ungarische Armee in Mittelbosnien geschlagen. Es kam immer wieder zu wechselnden Kontrollen über bosnische Territorien.
Nach mehreren Jahren Krieg fielen auch die letzten Städte im Süden. Bosnien war eine der wichtigsten Provinzen des Osmanischen Reiches, da es die europäische Grenze des Reiches schützte.
Die Türken holten viele muslimische Siedler nach Bosnien. Mit Ausnahme von Albanien war Bosnien unter den Einheimischen am stärksten islamisiert.
Im 16. und 17. Jahrhundert erlebte Bosnien-Herzegowina eine zweite, orientalische Blütezeit. In wichtigen Orten entstanden unter anderem Moscheen, Badehäuser und Basare.
Der wirtschaftliche und politische Niedergang des Osmanischen Reiches betraf auch Bosnien-Herzegowina. Es folgten im 19. Jahrhundert immer wieder Aufstände. Der Aufstand der bosnischen Serben 1876 war der Anfang vom Ende der osmanischen Herrschaft.
Österreichisch-ungarische Zeit
Der Berliner Kongress stellte 1878 die osmanischen Provinzen Bosnien und Herzegowina unter österreichisch-ungarische Verwaltung. Die österreichischen und ungarischen Politiker konnten sich aber nicht einigen, zu welchem der beiden Teilstaaten die Neuerwerbungen kommen sollten. Daher wurde die Verwaltung dem gemeinsamen Finanzministerium übertragen, welche den Doppelnamen Bosnien-Herzegowina prägten.
Die formelle Angliederung von Bosnien-Herzegowina durch Kaiser und König Franz Joseph I. 1908 löste eine europäische Krise aus. Das Land wurde auch jetzt keinem der beiden Teilstaaten Österreich-Ungarns zugeteilt.
1914 war die Stadt Sarajevo Schauplatz des Attentates auf Franz Ferdinand, welches den Ersten Weltkrieg auslöste. Nach der Niederlage der Habsburgermonarchie Ende 1918 wurde Bosnien Teil Jugoslawiens.
Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg
Jugoslawien war während des Zweiten Weltkriegs in mehrere Kriege involviert. Nach dem Überfall auf Jugoslawien im April 1941 hatten die Achsenmächte unter Führung Deutschlands den «Unabhängigen Staat Kroatien» proklamiert. Dieser umfasste neben Kroatien ganz Bosnien und die Herzegowina und wurde in eine deutsche und eine italienische Einflusszone eingeteilt.
Am 16. April 1941 marschierten deutsche Truppen in Sarajevo ein und verwüsteten die dortigen Synagogen. Im Juni begann die Masseninternierung von Juden. Widerstandsbewegungen kämpften gegen die Achsenmächte.
Im Sommer 1944 begann der Rückzug der deutschen Besatzer. Ende des Jahres hatten sowjetische und verbündete bulgarische Streitkräfte den Osten des Landes zu einem grossen Teil eingenommen. Am 6. April 1945 befreiten Titos Partisanen Sarajevo und kontrollierten bald ganz Bosnien.
Die Föderative Volksrepublik Jugoslawien wurde Ende 1945 ausgerufen.
Krieg zwischen verschiedenen Völkergruppen
Der Bund der Kommunisten Jugoslawiens zerbrach Anfang 1990. Im Mai 1991 begann die bosnische SDS, die Abtrennung Teile Nord- und Westbosniens zu fordern. Drei Gebiete Bosniens mit überwiegend serbischen Einwohnern wurden von der SDS zu «Serbischen autonomen Regionen» erklärt.
Die Haltung Kroatiens und der bosnischen Kroaten gegenüber einem möglichen unabhängigen Bosnien-Herzegowina war uneinheitlich.
Der Bosnien-Krieg begann im April 1992, als nach einem Referendum das unabhängige «Bosnien und Herzegowina» ausgerufen worden war. Die Mehrheit der Bosniaken und der kroatischen Volksgruppe unterstützte die Gründung des neuen Staates. Jedoch befürworteten die in Bosnien lebenden Serben den Verbleib im jugoslawischen Staat und boykottierten das Referendum.
Internationale Sanktionsmassnahmen konnten den Krieg nicht eindämmen. Die Zahl der Flüchtlinge stieg stetig an. Offene Kämpfe gab es sowohl in Nordostbosnien als auch in der Herzegowina.
Im Juli 1995 überfielen Truppen der Republika Srpska die UN-Schutzzone Srebrenica und töteten daraufhin Tausende Bosniaken. Dieser Vorfall ist als Massaker von Srebrenica bekannt und wurde vom Internationalen UN-Gerichtshof als Völkermord klassifiziert.
Friedensschluss von Dayton
Nach dem von den USA erzwungenen und vermittelten Friedensschluss von Dayton 1995 durchlief das Land einen widersprüchlichen Transitionsprozess. Bosnien-Herzegowina setzt sich aus zwei Teilrepubliken zusammen: Der überwiegend von bosnischen Serben bewohnten Republika Srpska und der bosniakisch-kroatischen Föderation.
Der Dayton-Vertrag verpflichtete das Land zur Einführung der Marktwirtschaft, Privatisierung von Staatsfirmen und Anpassung an die Vorgaben internationaler Finanzinstitutionen.
Die innenpolitische Situation war jedoch von den Folgen des Krieges und den anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen den drei Volksgruppen bestimmt. Das Land steckt weiterhin in einer politischen Krise, da verschiedene Vorstellungen über die Zukunft des Staates bestehen.
2014 kam es in zahlreichen Städten zu Protesten gegen die schlechte wirtschaftliche Situation und die Korruption in Politik und Verwaltung.