Brexit: Drei Jahre nach EU-Austritt herrscht Katerstimmung
Eine Mehrheit der Briten halten den Brexit nicht nur für einen Fehler, sondern befürworten einen Wiedereintritt. Doch eine EU-Rückkehr ist derzeit kein Thema.
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Das Wichtigste in Kürze
- Genau drei Jahre nach dem EU-Austritt herrscht im Vereinigten Königreich Katerstimmung.
- Eine Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Briten den Brexit für einen Fehler hält.
- Eine EU-Rückkehr Grossbritanniens sei in den kommenden 15 Jahren ausgeschlossen.
Genau drei Jahre nach dem EU-Austritt Grossbritanniens, der damals ausgiebig gefeiert wurde, herrscht im Vereinigten Königreich wirtschaftliche Katerstimmung. Dafür sorgte am Dienstag unter anderem eine Konjunkturprognose des Internationalen Währungsfonds. Die britische Wirtschaft wird in diesem Jahr nicht wachsen, sondern um 0,6 Prozent schrumpfen.
Am 31. Januar 2020 war Grossbritannien nach 47 Jahren aus der EU ausgetreten. Inzwischen dämmert es immer mehr Menschen, dass der Brexit nicht das von seinen Befürwortern versprochene wirtschaftliche Erfolgsrezept ist.
Umfragen zeigen, dass inzwischen eine Mehrheit der Briten den Brexit nicht nur für einen Fehler hält, sondern einen Wiedereintritt befürwortet. In der politischen Debatte ist eine mögliche EU-Rückkehr derzeit kein Thema.
Folgen von Brexit machen der Konjunktur zu schaffen
Das Land bildet das Schlusslicht in der IWF-Konjunkturprognose für die G7-Staaten 2023. Es schneidet selbst schlechter ab als das wegen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine mit Sanktionen belegte Russland. Hintergrund für die düsteren Aussichten seien laut der IWF: die Steuerpolitik der Regierung, die straffere Geldpolitik der Zentralbank und noch immer hohe Energiepreise, die den Geldbeutel der Haushalte belasteten. Experten zufolge sind es in nicht unerheblichem Masse Brexit-Folgen, die der Konjunktur zu schaffen machen.
Die IWF-Zahlen zeigten, dass Grossbritannien nicht immun gegen den Druck sei, dem fast alle entwickelten Volkswirtschaften ausgesetzt seien. Das sagte hingegen der britische Finanzminister Jeremy Hunt dem Sender Sky News. Er verwies auf langfristige Prognosen, wonach Grossbritannien schneller wachsen soll als Deutschland und Japan.
Einwanderung wurde erheblich erschwert
Für die konservative Regierung ist die Prognose am dritten Jahrestag des EU-Austritts wenig schmeichelhaft. Der Direktor des Institute for Fiscal Studies, Paul Johnson, sagte der BBC: Die Wachstumsschwäche sei vor allem auf den Mangel an Arbeitskräften zurückzuführen. Auslöser sei unter anderem der Brexit gewesen, der die Einwanderung aus der EU erheblich erschwere.
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Der EU-Austritt habe aber auch andere Probleme gebracht. Unter anderem leide die Konjunktur unter der politischen Instabilität. Nach Ansicht der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) ist der Brexit für Grossbritannien und die EU ein «wirtschaftliches Desaster».
Für deutsche Unternehmen herrsche eine erhebliche Planungs- und Rechtsunsicherheit, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der Deutschen Presse-Agentur. «So besteht die Gefahr von Handelskonflikten, weil Grossbritannien sich vom EU-Austrittsabkommen distanziert.»
Insbesondere die britischen Pläne von EU-Regeln abzuweichen, seien eine Belastung für deutsche Unternehmen, sagte Adrian. Dies sei auch in den Handelszahlen zu beobachten: «Während Grossbritannien im Jahr 2016 noch drittwichtigster Exportmarkt Deutschlands war, ist das Land im Jahr 2022 auf Platz 8 abgerutscht.» Zudem wird allgemein erwartet, dass Grossbritannien 2022 erstmals aus den Top Ten der deutschen Handelspartner rutschte. «Es steht für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Kanals viel auf dem Spiel», sagte Adrian.
Eine Rückkehr Grossbritanniens in die EU ist nach Einschätzung des britischen Politikwissenschaftlers Anand Menon in den kommenden 15 Jahren ausgeschlossen. Er sehe keine Chance, sagte der Leiter der Denkfabrik «UK in a Changing Europe» der dpa.
Die Brexit-Anhänger lassen nicht locker
Die sozialdemokratische Labour-Partei führt in Umfragen deutlich vor den Konservativen. Der Parteichef Keir Starmer wird wahrscheinlich den amtierenden Premier Rishi Sunak nach der Wahl 2024 als Regierungschef ablösen. Starmer setzte sich in der Vergangenheit für eine Abkehr vom Brexit ein. Inzwischen wirbt er lediglich dafür, das Austrittabkommen zu verbessern.
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Selbst eine stärkere Annäherung durch zusätzliche Verträge zwischen der EU und einer künftigen Labour-Regierung werde problematisch, glaubt Menon. Die EU werde sich denken: «Wollen wir wirklich einen Deal unterschreiben mit diesen Leuten? Wenn die Konservativen in fünf Jahren wieder zurückkommen und alles in der Luft zerreissen?», sagte der Professor am King’s College in London.
Für Sunak, der die Erholung der Wirtschaft im Auge habe, sei selbst eine dafür dienliche Entspannung des Brüssel-Verhältnisses schwierig. Es sei unklar, ob er sich gegen die Brexit-Anhänger seiner Partei durchsetzen könne, sagte Menon. Sunaks Vorvorgänger Boris Johnson soll nur auf eine Gelegenheit warten, um dem Premier Verrat am Brexit vorzuwerfen. So könnte er Spekulationen zufolge zurück an die Regierungsspitze gelangen.