Corona-Ausbruch bei Tönnies: Gastarbeiter fliehen nach Rumänien
Das Wichtigste in Kürze
- Der Corona-Ausbruch bei der deutschen Fleischfabrik Tönnies gerät aus dem Ruder.
- Bis am Sonntag wurden 1331 Infizierte gemeldet, rund ein Fünftel der Belegschaft.
- Einige Gastarbeiter aus Rumänien und Bulgarien sind in die Heimat geflüchtet.
Der Corona-Ausbruch in der deutschen Fleischfabrik Tönnies in Rheda-Wiedenbrück (D) gerät völlig aus dem Ruder. Nach den ersten Infizierungen vor über eine Woche stieg die Zahl der Ansteckungen am Sonntag auf 1331 an.
Insgesamt wurden auf dem Gelände der Firma 6139 Tests durchgeführt, 5899 Befunde lägen bereits vor. Das heisst: Bei 4568 Beschäftigten konnte das Virus nicht nachgewiesen werden. Das teilte der Kreis Gütersloh am Sonntag mit.
In den vier Krankenhäusern im Landkreis werden derzeit 21 Covid-19-Patienten stationär behandelt. Davon liegen sechs Personen auf der Intensivstation, zwei von ihnen müssen beatmet werden. Fünf der sechs sind nach Angaben des Kreises Tönnies-Beschäftigte.
Gastarbeiter fliehen in Panik
Am Samstag rückten Polizeieinheiten und die Feuerwehr vor den Unterkünften der Schlachthofarbeiter an. Sie erklärten die Häuser in Verl-Sürenheide zum Quarantänegebiet und errichteten Zäune vor den Türen. Insgesamt sind 7000 Mitarbeiter des Unternehmens in 1300 Wohnungen «eingesperrt».
Bei diesen, viele von ihnen aus Rumänien und Bulgarien, sorgten die Massnahmen für Entsetzen. Gegenüber der «Bild»-Zeitung sagt eine junge Frau dessen Name geändert wurde: «Wir haben grosse Angst. Jetzt lieg es in Gottes Hand. Wir können doch nichts dafür, aber die Nachbarn beleidigen uns bereits und lachen.»
Die Quarantäne-Massnahmen wurden bereits am Freitagabend angekündigt. Das löste offenbar Panik aus. Einige rumänische Mitarbeiter seien in Minibussen und Autos in die Heimat geflohen, so der Bericht.
Auch für einen Flug, der am Samstag von Dortmund nach Bukarest ging, wollten mehrere Arbeiter Tickets buchen. Ihre Corona-Tests zuvor waren angeblich negativ.
«Bild» zitiert eine Anwohnerin: «Wir haben gesehen, wie am Freitag eine Gruppe Männer mit Reisetaschen vor dem einen Haus stand und dann in einen Bulli stieg. Abends sahen wir, wie ein Auto aus Bulgarien bis unters Dach mit Gepäck beladen wurde. Heute Morgen war der Wagen verschwunden.»
Man habe den Eindruck, dass sich die Bewohnerzahl in den Häusern deutlich reduziert habe, so die Anwohnerin.
Firmenchef Tönnies: «Mache mich nicht aus dem Staub»
Der westfälische Kreis Gütersloh (360'000 Einwohner) steht wegen des Corona-Supergaus Kopf. Alle Schulen und Kitas wurden wieder geschlossen. Ein Lockdown für den gesamten Landkreis wird nicht mehr ausgeschlossen, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet.
Am Sonntag waren 32 mobile Teams in den Städten und Gemeinden des Kreises unterwegs gewesen. Diese sollten Personen in ihren Unterkünften beraten und ihnen Unterstützung anbieten.
Die Produktion bei Tönnies ist eingestellt. Unternehmenschef Clemens Tönnies steht am Pranger. Der Grund: Enge Arbeits- und Wohnverhältnisse sowie mangelnde Hygienemassnahmen seien schuld am Virusausbruch.
An Rücktritt will der Präsident von Schalke 04 aber nicht denken. Am Samstag sagte er bei einer Pressekonferenz, er wolle sich in der Not nicht aus dem Staub machen. «Ich werde das Unternehmen aus dieser Krise führen.»
Zudem versprach der Firmenchef, die komplette Fleischbranche verändern zu wollen. Ein solcher Schritt wäre auch bitter nötig: Corona-Ausbrüche gab es in letzter Zeit nämlich in einigen deutschen Schlachthöfen.
Anfang Mai infizierten sich 140 Menschen in einem Schlachthof in Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein. Mitte Mai steckten sich 205 meist osteuropäische Arbeiter bei Westfleisch nahe Münster an.
Ende Mai traf ein weiterer Corona-Ausbruch 92 Mitarbeiter auch in der Niederlassung in Dissen im Landkreis Osnabrück. Als Grund für die Masseninfizierungen werden auch hier die überbelegten Sammelunterkünfte der Billiglohnkräfte vermutet.