Coronavirus: Korruption und Klagen gegen Altersheime in Lombardei

Andrea Schweizer
Andrea Schweizer

Italien,

In der Lombardei (I) wird die Lage um das Coronavirus immer prekärer. Schuld daran soll das korrupte und privatisierte Gesundheitssystem sein.

Lombardei Coronavirus
Das Altersheim Trivulzio in der Lombarei steht besonders in Verruf. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Lombardei (I) wurden Altersheime zu Spitälern umgewandelt.
  • Mangels richtiger Hygienemassnahmen starben Tausende Menschen am Coronavirus.
  • Schuld daran ist das privatisierte und korrupte Gesundheitssystem der Lombardei.

Über 100 Menschen starben gestern alleine in der Lombardei (I) am Coronavirus. Die Krise ist in Italien, dem europäischen Epizentrum, noch lange nicht ausgestanden. Schuld an dem gewaltigen Ausmass hat das privatisierte Gesundheitssystem der Lombardei. Dies berichtete «SRF» gestern in der Rundschau.

30 Altersheime nahmen Corona-Infizierte auf

Bereits am 8. März wurde das Altersheim Trivulzio in ein Spital umfunktioniert. Das grösste Altersheim Europas beheimatet rund 700 Bewohner, gut 200 von ihnen sind bereits an den Folgen des Coronavirus gestorben. Verlegt ins Trivulzio wurden die Corona-Patienten auf Anordnung des Staates.

Coronavirus
Verlassene Rialto-Brücke in Venedig, im vom Coronavirus gebeutelten Italien. - AFP

Die Bilder sind erschreckend. Überall liegen verschlossene Särge zum Abtransport bereit. Bestatter müssen die Särge versiegeln, ohne dass Angehörige Abschied nehmen konnten.

Für die Aufnahme der Infizierten erhält jedes Altersheim 150 Euro pro Patient und Tag. Insgesamt haben rund 30 Altersheime Corona-Infizierte aufgenommen.

Krise, weil sich Coronavirus unbemerkt ausbreiten konnte

Die Mutter von Alessandro Azzoni lebt ebenfalls im Altersheim Trivulzio. Er und andere Angehörige erheben schwere Vorwürfe gegen das Institut.

«Einige von uns haben ihre Angehörigen schon verloren. Andere versuchen verzweifelt herauszufinden in welchen Abteilungen ihre Eltern oder Grosseltern sind», so Azzoni. Gesunde Bewohner seien ebenfalls mit Infizierten in einem Zimmer untergebracht worden.

Coronavirus - Italien
Der Hitzeschlag war so schwer, dass er nun im Koma liegt: Blick auf eine Intensivstation. - dpa

Der Gesundheitsdirektor der Lombardei, Guilio Gallera, gesteht in einem Interview mit dem «SRF» Fehler ein. «Wir haben die Entscheidungen getroffen, von denen wir überzeugt waren, sie würden Menschenleben retten.» Da das Virus sich während 20 Tagen unentdeckt ausbreiten konnte, sei es erst zur ganzen Krise gekommen.

Korruption und Privatisierung im Gesundheitssystem

Die Wurzeln des Problems liege in der Korruption, welche das Gesundheitssystem der Lombardei schon seit Jahrzehnten plagt, so die Rundschau. Bereits in den 1990er-Jahren wurde der damalige Heimleiter des Trivulzio wegen Korruption entlassen. Roberto Formigoni hatte das Gesundheitswesen schliesslich privatisiert.

Coronavirus
Provisorische Leichenhalle nahe Bergamo. Die Lombardei wurde vor zwei Jahren durch das Coronavirus besonders in Mitleidenschaft gezogen. - AFP

Mit der Privatisierung baute die Lombardei ihre Privatkliniken aus. Deshalb kam es auch zum Engpass bei Intensivpflegebetten. Über 50 Prozent der Kliniken in der Lombardei sind privatisiert.

Gesundheitsdirektor Gallera betont die gute Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Kliniken in der Krise. Trotzdem starben in der Lombardei bis heute über 27'000 Menschen.

Massregelung für Pflegepersonal wegen Masken-Tragens

Rechtsanwalt Romolo Reboa hat im Namen der Angehörigen Strafanzeigen gegen die Altersheime eingereicht. Vorgeworfen wird den Heimen, dass sie trotz besseren Wissens die Hygienemassnahmen nicht eingehalten haben.

«Das Pflegepersonal wurde von der Heimleitung gemassregelt, weil sie bei der Arbeit Schutzmasken trugen.» Dies sei nach dem Ausbruch der Pandemie geschehen.

romolo romeo coronavirus
Der Rechtsanwalt Romolo Romeo erhebt für die Betroffenen Anzeige. - SRF

«Das ist doch absurd, wenn sogar Familienangehörige angewiesen werden, ihre Schutzmasken abzulegen», so Reboa. Man habe die Senioren mit den Sicherheitsmassnahmen nicht verunsichern wollen, so die Rechtfertigung. Insgesamt vertritt Romeo 18 Pfleger und Pflegerinnen und dutzende Angehörige.

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