Demonstranten in Serbien werfen Regierung Corona-Versagen vor
Das Wichtigste in Kürze
- In der Nacht auf Mittwoch kam es in Serbien vielerorts zu Demonstrationen.
- Die Protestierenden werfen der Regierung Versagen im Krisenmanagement vor.
- Nachdem die Regierung früh und umfangreich gelockert hatte, folgt nun ein neuer Lockdown.
In der Nacht auf Mittwoch kam es in der serbischen Hauptstadt Belgrad zu schweren Ausschreitungen. Demonstranten belagerten stundenlang das Parlamentsgebäude. Nach Angaben des Belgrader Polizeidirektors Vladimir Rebic wurden 43 Polizisten und 17 Demonstranten verletzt.
Polizeidirektor Rebic bezeichnete die Demonstranten im Staatsfernsehen RTS als «Hooligans». Mindestens fünf Polizeiautos wurden in Brand gesteckt, die Polizei reagierte mit Tränengas.
Bei den gewalttätigen Demonstranten im Regierungsbezirk von Belgrad handelte es sich nur um eine kleine Minderheit: Landesweit gingen tausende Serben auf die Strasse. An den meisten Orten blieben die Proteste friedlich.
Erneuter Lockdown als Auslöser der Proteste
Auslöser der Proteste war die Entscheidung der serbischen Regierung, zum zweiten Mal restriktive Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus einzuführen.
Wie «European Western Balkans» berichtet, hatte keiner der Oppositionellen zu den Protesten ausgerufen. Die Demonstrationen entstanden spontan, nachdem die Ansammlungen in den sozialen Medien verbreitet worden waren. Dementsprechend folgten die Proteste keiner klaren Ideologie, sondern richteten sich von verschiedenen Seiten gegen die Regierung.
Dabei spielte die Härte der neuen Massnahmen, unter anderem strikte Ausgangssperren am kommenden Wochenende, wohl nur eine untergeordnete Rolle: Der erneute Lockdown ist vor allem ein Eingeständnis der serbischen Regierung, dass ihre Corona-Politik gescheitert ist.
Regierung lockert zu früh – das Volk reagiert mit Protesten
Serbien hatte bereits anfangs Mai mit der Lockerung begonnen. Anfang Juni verkündete Predrag Kon, Mitglied der serbischen Corona-Taskforce, das effektive Ende der Epidemie in Serbien. Dies war Bedingung für die Durchführung der Wahlen am 21. Juni.
Nachdem die Opposition die Wahlen boykottiert hatte, lag die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent. Die Partei des Präsidenten Aleksandar Vucic konnte daraufhin einen grossen Erfolg verzeichnen: Das Volk vergütete das konsequente Durchgreifen und die äusserst niedrigen Neuinfektions-Zahlen.
Wie Berichte von «Balkan Insight» aufdeckten, entsprachen die offiziellen Fallzahlen jedoch nicht der Wirklichkeit. Die Fallzahlen stiegen nach den Wahlen wieder rasant an. Mit der erneuten Massnahmen-Verschärfung muss die Regierung der tatsächlichen Lage im Balkanstaat Rechnung tragen. Jetzt machen die Protestierenden ihrem Unmut auf der Strasse Luft.
Grösste Ausschreitungen seit Antritt der Vucic-Regierung
Laut «Bloomberg» handelte es sich um die grössten Ausschreitungen seit Antritt der Regierung Vucic im Jahr 2012. Doch es ist nicht das erste Mal, dass das Volk gegen die aktuelle Regierung demonstriert. Seit 2016 kam es jedes Jahr zu Anti-Regierungs-Protesten, schreibt «European Western Balkans».
Aleksandar Vucic, einst Informationsminister der Milosevic-Regierung, wird ein autoritärer Regierungsstil vorgeworfen. Tatsächlich beklagen die Oppositionellen und Medien über mangelnde Freiheit, während Vucic seine Machtposition weiter ausbaut.
Die spontanen Demonstrationen der vergangenen Nacht dürften sich heute fortsetzen: Die serbische Opposition hat heute Mittwochabend zu erneuten Demonstrationen aufgerufen.