Kriegswaffenexporte deutlich gestiegen
Nicht nur die neuen Genehmigungen für Rüstungsexporte sind im vergangenen Jahr auf einen Rekordwert gestiegen. Auch die tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen nahmen deutlich zu. Einige Zahlen werden aber unter Verschluss gehalten. Das sorgt für Unmut.
Das Wichtigste in Kürze
- Die deutschen Kriegswaffenexporte sind im vergangenen Jahr auf mindestens 1,1 Milliarden Euro gestiegen.
Das sind 43 Prozent mehr als im Vorjahr, aber deutlich weniger als in den Jahren 2017 und 2016 mit 2,65 Milliarden und 2,5 Milliarden Euro.
Hauptabnehmer war die Türkei vor Kuwait, Grossbritannien, Litauen und Singapur. Die neuen Zahlen gehen aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Aussenpolitikerin Sevim Dagdelen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Sie betreffen nur Kriegswaffen wie U-Boote, Panzer, Kampfflugzeuge oder Geschütze, nicht aber sonstige Rüstungsgüter wie gepanzerte Sanitätsfahrzeuge, militärische Lastwagen oder ähnliches.
Bereits im Januar hatte das Wirtschaftsministerium bekanntgegeben, dass die Genehmigungen für die Ausfuhr aller Arten von Rüstungsgütern im vergangenen Jahr erstmals über acht Milliarden Euro gestiegen ist. Die Statistik für die Kriegswaffen weist nun einige Lücken auf, weil die Regierung die Zahlen für einzelne Länder als Verschlusssache eingestuft und eine Veröffentlichung damit untersagt hat. Sie will damit Rückschlüsse auf die Lieferanten und den Kaufpreis vermeiden und verweist auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis.
Die Lieferungen an die der Nato gleichgestellten Länder wie Australien, Japan, Israel oder Schweiz fehlen deswegen in der Statistik ganz. Der Jahreswert kann also noch um einiges höher als 1,1 Milliarden Euro liegen.
Ebenfalls zum Schutz der Produzenten gibt die Bundesregierung seit vergangenem September den Wert der Exporte in die Türkei nicht mehr bekannt. Dorthin waren alleine bis August deutsche Kriegswaffen für 250,4 Millionen Euro geliefert worden. Schon mit diesem Wert ist der Nato-Partner, der in die Kriege in Syrien und Libyen involviert ist, mit Abstand die Nummer eins unter den Empfängerländern. Der gesamte Lieferwert für 2019 bleibt aber unter Verschluss. Er wurde der Abgeordneten Dagdelen zwar in einem separaten Dokument mitgeteilt. Sie darf ihn aber nicht veröffentlichen.
Bereits im vergangenen Jahr machten die Lieferungen an die Türkei mit 242,8 Millionen Euro fast ein Drittel aller deutschen Kriegswaffenexporte (770,8 Millionen Euro) aus. Damit war der Nato-Partner auch 2018 schon klar die Nummer eins unter den Empfängerländern. Nach dem Einmarsch türkischer Truppen in Syrien im Oktober 2019 hatte die Bundesregierung einen teilweisen Rüstungsexportstopp gegen die Türkei verhängt. Er gilt aber nur für Waffen, die im Syrien-Krieg eingesetzt werden können.
Bei den im vergangenen Jahr gelieferten Waffen handelte es sich nach früheren Antworten des Wirtschaftsministeriums auf parlamentarische Anfragen zumindest überwiegend um Ware «für den maritimen Bereich». Es ist wahrscheinlich, dass ein grosser Teil davon Material für sechs U-Boote der Klasse 214 war, die in der Türkei unter massgeblicher Beteiligung des deutschen Konzerns Thyssenkrupp Marine Systems gebaut werden.
In der Opposition gibt es Verärgerung über die Geheimhaltung einzelner Exportzahlen durch die Bundesregierung. «Es ist ein Armutszeugnis für Kanzlerin Merkel und ihre Bundesregierung, weltmeisterlich im Export von Mordwerkzeugen zu sein, aber gleichzeitig die Empfänger der Kriegswaffen unter Geheimhaltung zu stellen», sagte die Linken-Politikerin Dagdelen. «Das ist feige und nicht akzeptabel. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, wohin in aller Welt deutsche Kriegswaffen geliefert werden und, dass die Türkei Erdogans trotz Völkerrechtsbrüchen in Syrien und Libyen absoluter Spitzenreiter bei den Empfängerländern ist.»
Ähnlich äusserte sich die Grünen-Rüstungsexpertin Katja Keul. «Es ist inakzeptabel, dass die Bundesregierung Zahlen verheimlicht, die bisher immer im Rahmen des jährlichen Rüstungsexportberichts veröffentlicht wurden», sagte sie. «Es darf keinen Rückschritt bei der Transparenz von Rüstungsexporten geben.»
Greenpeace forderte ein komplettes Verbot von Rüstungsexporten in Länder ausserhalb der EU. «Es ist traurig und beschämend, dass Deutschland 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Kriegswaffen von mindestens 1,1 Milliarden Euro exportiert hat», sagte Rüstungsexperte Alexander Lurz. «Diese Lieferungen halten die Kriege von heute - wie im Jemen - am Leben, und säen die Kriege von morgen.»