Deutsche Studie: Serbien ist ein Testlabor für russische Propaganda
Laut einer neuen Studie der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung wird Serbien als ein entscheidendes Gebiet für russische Propaganda angesehen.
Eine aktuelle Studie der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung erachtet Serbien als zentrales Trainingsfeld für russische Propaganda, gegen deren politische, wirtschaftliche sowie gesellschaftliche Auswirkungen bisher keine «konsistenten Strategien» in der EU und auf nationalstaatlicher Ebene vorliegen.
Als relevant für die Ausbreitung russischer Praktiken werden aber auch Ungarn und neuerdings die Slowakei eingeschätzt.
Am Balkan beeinflussten die vom Kreml finanzierten und gesteuerten Agenturen «Sputnik» sowie «RT-Balkan» die Medienlandschaften der vielen kleinen Staaten massiv, hier würden neue Propagandaformen erprobt und deren Wirkmächtigkeit überprüft, schreibt Thomas Brey, Autor der Studie «Russland – Wegbereiter von Autokratien. Wie der Kreml Europa destabilisiert».
Der langjährige dpa-Balkankorrespondent erachtet dabei das «russlandfreundliche Serbien» als wichtigste Dreh- und Angelstelle russischer Propaganda, sieht gleichzeitig aber auch neue Einflussmöglichkeiten Moskaus mithilfe einer «Achse von Autokraten».
Dazu zählt er neben dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und dessen bosnisch-serbischem Juniorpartner Milorad Dodik auch die Regierungschefs von Ungarn und der Slowakei, Viktor Orbán und Robert Fico.
In Bezug auf Serbien unterstreicht Brey die zahlreichen Kontakte von Vučić und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin, referiert aber auch die Rolle des früheren Geheimdienstchefs, Verteidigungs- sowie Innenministers und derzeitigen Vize-Regierungschefs Aleksandar Vulin, der als Schöpfer des ideologischen Konzepts der «Serbischen Welt» gilt.
Dieses würde analog zur «Russischen Welt» auf eine Zusammenführung von allen im angrenzenden Ausland lebenden Serben in einem einzigen Staat abzielen. «Genau dieses grossserbische Programm hatte zu den blutigen Kriegen beim Auseinanderfallen Jugoslawiens geführt. Seit Juli 2020 ist es in der serbischen Öffentlichkeit wieder salonfähig», heisst es in der etwa 40-seitigen Untersuchung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung.
Manche Fernsehsender spielen zentrale Rolle
Neben den von Russland finanzierten Medien «Sputnik» und «RT Balkan», deren gratis zur Verfügung gestellte Inhalte in serbischer Sprache ungefiltert von zahlreichen lokalen Medien übernommen würden, seien regierungsgesteuerte Medien in Serbien «Hauptträger russischer Propaganda». Letztere würde gleichzeitig auch von hochrangigen Politikern verbreitet.
Eine zentrale Rolle spielten laut der Studie dabei insbesondere manche Fernsehsender, deren Zuschauerzahlen trotz der Verbreitung von Desinformation weiter zunähmen. Inhaltlich konzentrierten sich propagandistische Bemühungen auf die Darstellung einer katastrophalen Lage im Westen, wo breite Gesellschaftsschichten verarmten, Inflation das Leben unerträglich mache und zudem Nahrungsmittelknappheit herrsche.
Ausführlich beschäftigt sich die Untersuchung auch mit Vučić' engem Freund und ungarischem Regierungschef Orbán, dessen Agieren das Zeug habe, die gesamte euroatlantische Sicherheitsstruktur ins Wanken zu bringen. Die Strahlkraft seines populistischen und nationalistisch-autokratischen politischen Modells sei inzwischen auch in den USA erkannt worden, wo die politische Rechte Ungarn als Modell betrachten würde.
Ein Schlüsselelement beim Abbau demokratischer Eckpfeiler in Ungarn sei dabei die Übernahme der wichtigsten Medien im Land gewesen, die regionale Presse sei seit 2017 vollständig im Besitz von Orbán-freundlichen Unternehmen, 2018 seien zudem 500 regierungsnahe Medienunternehmen in einer Holding mit zentral koordinierter Berichterstattung zusammengefasst worden und der öffentlich-rechtliche Rundfunk und Ungarn einzige Nachrichtenagentur in einer staatlichen Medienholding zentralisiert.
Die seit Herbst 2023 von Robert Fico regierte Slowakei bezeichnet die Studie indes als «gelehrigen Schüler» in Bezug auf Autoritarismus. «Wozu sein Idol Orbán Jahre brauchte, benötigte Fico nur einige Monate», formuliert Brey, der auf eine «Welle russischer Staatspropaganda» nach einem Attentat auf Fico im Mai 2024 verweist.
Aus dem Ausland gesteuerte Accounts in sozialen Medien hätten etwa das Attentat in Zusammenhang mit der prorussischen und antiwestlichen Einstellung Ficos zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gebracht. Aber auch in Serbien war diese Gewalttat ein Thema: Mit Verweis auf eine «Mitteilung des russischen Geheimdiensts» berichtete etwa die Belgrader Zeitung «Novosti», dass die «globalistischen und totalitär-liberalen Eliten» zu «offenem politischen Terror» gegen ihre Gegner übergegangen seien.
Auch Europäische Union wäre in Westbalkan gefragt
In einem Abschnitt über Österreich sieht die Studie aussenpolitische Auswirkungen durch eine «veränderte innenpolitische Landschaft». Konkret wird österreichische Schützenhilfe für Orbán durch Aussenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), der im August 2024 einen Boykott des ungarischen Ratsvorsitzes in der EU abgelehnt hatte, im Hinblick auf einen bereits erwarten FPÖ-Sieg bei den Nationalratswahlen im September interpretiert.
Verwiesen wird aber auch auf Aktivitäten der ehemaligen österreichischen Aussenministerin sowie auf Europaparlamentswahlen im Mai 2024, bei denen die «rechtspopulistische FPÖ» mit dem Slogan «EU-Wahnsinn stoppen» in Österreich zur stärksten Partei wurde.
Veraltet in der Untersuchung sind seit Samstag hingegen Anmerkungen, dass nach den Nationalratswahlen vom September keine der grösseren österreichischen Parteien mit der von Herbert Kickl geführten FPÖ koalieren möchte und deshalb Bundespräsident Alexander Van der Bellen ÖVP-Chef Karl Nehammer einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilt habe.
Als Massnahmen gegen «massive russische Staatspropaganda», die in den von der Studie berücksichtigten 16 europäischen Ländern immense gesellschaftspolitische Schäden angerichtet und unter anderem das Vertrauen der Bevölkerung in ihr politisches System sowie deren Spitzenvertreter schwer erschüttert habe, schlägt die Studie die Entwicklung von Medienkompetenz, Faktencheck-Initiativen, Transparenz bei Medieneigentum sowie Coaching für Nachwuchsjournalisten vor.
Die Rede ist aber auch von westlichen Radiosendern sowie der Unterstützung für Medienprojekte, die in «zementierten Medienlandschaften» autoritärer Staaten eine Alternative darstellen könnten.
In Bezug auf den Westbalkan wäre aber auch gerade die Europäische Union gefragt, die «aus ihrer Passivität» erwachen und auch aktiver im Kampf gegen Desinformation werden solle. «Sie (EU, Anm.) müsse die Öffentlichkeit in den einzelnen Ländern auf ihre zukunftssichernden Massnahmen, deren Bedeutung und Wert, rational und emotional hinweisen, damit die Bürger den Nutzen der fortlaufenden Unterstützung erkennen können», heisst es in der Studie.