DGB warnt zum 1. Mai vor Jobabbau
Das Wichtigste in Kürze
- Solidarität und Schutz für Arbeitnehmer in der Corona-Krise: Mit einem vor allem im Internet organisierten Protest haben Gewerkschaften zum 1. Mai vor Einschnitten zulasten von Beschäftigten gewarnt.
«#SolidarischNichtAlleine» lautete das Motto, unter dem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit Musik und Videoschalten - auch über den Dächern von Berlin - den 1. Mai begingen. Die SPD-Spitze forderte ein Recht auf Homeoffice mit klaren Regeln: Mittelfristig müsse stärker darauf geachtet werden, wie die Arbeitsplätze zuhause ausgestattet seien.
«Ich warne die Unternehmen dringend davor, die Krise jetzt für zusätzlichen Arbeitsplatzabbau zu missbrauchen», sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur. «Wenn es wieder bergauf geht, werden ihnen diese Fachkräfte fehlen.» Anstatt nun die alte Melodie «Wir müssen den Gürtel enger schnallen» zu bedienen, müsse mit ordentlichen Löhnen die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten gesichert werden.
«Dazu gehört auch ein armutsfester Mindestlohn - und der liegt bei 12 Euro die Stunde», sagte Hoffmann. «Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Unternehmen ihre Bonizahlungen und Dividenden streichen und stattdessen ordentlich in die Zukunft investieren.» Derzeit liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 9,35 Euro. Deutschland sei «gut gerüstet, um gemeinsam gut aus der Krise zu kommen», betonte der DGB-Chef. «Unser starker Sozialstaat und die Solidarität der Menschen helfen Wirtschaft und Beschäftigten in der Krise.» Auch die milliardenschweren Rettungsprogramme seien richtig.
Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis, betonte in einer Videobotschaft das gestiegene Bewusstsein in der Bevölkerung für gegenseitige Hilfe. Mehr Solidarität müsse es auch innerhalb Europas geben. «Die Herausforderung ist in Ausmass und Dramatik ohne Beispiel. Wir brauchen eine Antwort der kontinentalen Solidarität und des gegenseitigen Füreinander-Einstehens, die ebenso historisch sein muss», so Vassiliadis. Andernfalls drohe der EU das weitere Auseinanderbrechen und ihren Bürgern eine ökonomische Dauerkrise.
Alle acht Mitgliedsgewerkschaften und alle DGB-Bezirke mobilisierten im Netz. Es gab nur vereinzelte und kleine Kundgebungen, bei denen Gewerkschaftler Atemmasken trugen. Am Freitagmorgen stellten sich DGB-Vertreter mit einem grossen Banner mit dem Slogan «Solidarisch ist man nicht alleine!» vor das Brandenburger Tor. Die Gewerkschaften kämpften für eine Anhebung des Kurzarbeitergelds, für die Stabilisierung des Sozialstaats, für mehr Mitbestimmung und für faire Löhne, hiess es in einem Tweet des DGB Berlin-Brandenburg. Der DGB erklärte, der gewerkschaftliche Zusammenhalt sei aktueller denn je. In Deutschland sind waren nach Angaben vom Vortag wegen der Corona-Krise 10,1 Millionen Menschen in Kurzarbeit.
Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch erwartet wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise verschärfte Konflikte. «Die künftigen Kämpfe werden intensiver werden, es wird wieder Klassenkampf geben. Angesichts der steigenden Zahl von Kurzarbeitern und der für viele drohenden Arbeitslosigkeit sind Gewerkschaften und sozial engagierte Parteien deshalb besonders gefragt», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er höre von Fachleuten, dass die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg drohe. Bartsch forderte für Arbeitnehmer: «Das Wort «systemrelevant» muss neu definiert werden. Es muss sich in deutlich höheren Löhnen widerspiegeln.»
Der Chef der IG Metall, Jörg Hofmann, rief die Arbeitgeber auf, Beschäftigung in der Corona-Krise zu sichern. Jetzt müsse sich Sozialpartnerschaft bewähren, sagte Hofmann dem RND. «Die Krise lässt sich nur zusammen mit den Beschäftigten überwinden und mit Investitionen in die Zukunft.» Verdi-Chef Frank Werneke beklagte im SWR-Interview der Woche, dass in der Corona-Krise wichtige Arbeitnehmerrechte ausgehebelt werden. Das Arbeitszeitgesetz etwa sei momentan ausgesetzt, was 12-Stunden-Schichten ermögliche. Das könne nicht so bleiben.
«Eigentlich müssten alle Arbeitgeber zum Beispiel zuhause nachprüfen, ob der Stuhl überhaupt geeignet ist», sagte SPD-Chefin Saskia Esken der Deutschen Presse-Agentur. «Jetzt herrscht eine Art Ausnahmezustand, aber mittelfristig muss es ein Recht auf Homeoffice mit klaren Regeln geben.» Ein Recht auf Homeoffice will Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gesetzlich verankern und bis Herbst einen Entwurf vorlegen.