ESM-Chef: Auch Italiens Schulden sind tragfähig
Die Eurostaaten pumpen in der Corona-Krise Milliarden in die Wirtschaft - und verschulden sich. Der Chef des Europäischen Stabilitätsmechanismus beschwichtigt.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Corona-Krise pumpen Eurostaaten Milliarden in die Wirtschaft.
- Trotzdem sieht der Chef des europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) keine Gefahr.
- Anzeichen auf eine neue Schuldenkrise gebe es bisher keine.
Die Eurostaaten pumpen in der Corona-Krise Milliarden in die Wirtschaft - und verschulden sich. Der Chef des Europäischen Stabilitätsmechanismus beschwichtigt. Trotz der gewaltigen Ausgaben in der Corona-Krise sieht der Chef des Eurorettungsschirms ESM keine Anzeichen einer neuen Schuldenkrise.
Allen 19 Eurostaaten habe die EU-Kommission vergangene Woche die Tragfähigkeit ihrer Staatsschulden bescheinigt, sagte ESM-Chef Klaus Regling in einem Interview. «Das ist die derzeitige Lage. Sonst dürften wir einem Land gar kein Geld leihen.»
Italien billiger refinanzieren als vor zehn Jahren
Regling wies auch Bedenken wegen der hohen Verschuldung in Italien zurück. Diese könnten dieses Jahr knapp 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. «Wir wissen, dass Italiens Schuldenlast hoch ist.»
«Aber wir wissen auch, dass die Zinsen im Moment niedrig sind.» Wenn diese Woche zehnjährige Staatsanleihen fällig würden, könne Italien diese billiger refinanzieren als vor zehn Jahren. «So können auch hohe Schulden finanziert werden», sagte Regling.
Er ermunterte die 19 Eurostaaten, die neuen ESM-Krisenhilfen in Anspruch zu nehmen. Die Eurogruppe hatte beschlossen, beim ESM vorsorgliche Kreditlinien von bis zu 240 Milliarden Euro für direkte und indirekte Gesundheitskosten einzurichten.
Diese ESM-Kredite seien «verlässlich und billig», sagte Regling. «Das sind die Vorteile.» So hätten etwa die Hälfte der 19 Eurostaaten Zinsvorteile im Vergleich zum Kapitalmarkt.
Allein Italien könnte in den nächsten zehn Jahren nach heutigem Stand sieben Milliarden Euro an Zinsen sparen, rechnete Regling vor. Für Spanien wären es zwei Milliarden Euro.
Krise wurde nicht durch falsche Politik ausgelöst
Italien und Spanien waren von der Pandemie besonders schwer betroffen, und die neuen ESM-Kreditlinien sollen vor allem solchen Krisenstaaten helfen. Doch hatten diese Vorbehalte, weil der ESM in der Vergangenheit harte Sparprogramme im Gegenzug für Kredithilfen verlangte. Diesmal sei das anders, sagte Regling.
«Es ist eine Krise, die nicht durch falsche Politik ausgelöst wurde. Keine Regierung kann dafür verantwortlich gemacht werden, was jetzt passiert.» Folglich gebe es auch keine andere Bedingung, als die Vorgabe, das Geld für Gesundheitsausgaben zu verwenden. «Es gibt nichts anderes, auch nicht später», sagte Regling.
Ein negatives Signal an die Finanzmärkte sei von der Nutzung der Kreditlinien ebenfalls nicht zu befürchten. «Die Märkte verstehen genau, wie der ESM funktioniert», sagte der geschäftsführende Direktor der Institution.
Sie wüssten, dass sich die Länder so günstiger finanzieren könnten. «Das ist gut für den Ruf eines Landes am Markt.» Internationale Investoren hätten ihm das bestätigt.
Immer noch genug Geld zur Verfügung
Der Europäische Stabilitätsmechanismus mit Sitz in Luxemburg war in der Euroschuldenkrise 2012 gegründet worden. Die Eurostaaten haben Kapital und Garantien hinterlegt. Auf dieser Grundlage leiht die Institution zu sehr günstigen Konditionen am Kapitalmarkt Geld. Dieses wird als Kredit an die Eurostaaten weiter gereicht.
Derzeit hat der ESM nach Reglings Worten noch eine ungenutzte Ausleihkapazität von 410 Milliarden Euro. Würden grob geschätzt ein Drittel der neuen Corona-Hilfen genutzt, wären dies 80 Milliarden Euro. «Wir hätten immer noch 330 Milliarden Euro für alles, was in einer neuen Krise kommen könnte», fügte Regling hinzu.