EU-Gipfel berät über Migration und Aufnahme neuer Länder
Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Länder treffen sich in Granada. Beim Thema Migration droht Zoff. Dazu stellt sich die Frage: Wie muss sich die EU verändern, damit neue Länder beitreten können?
Beim informellen EU-Gipfel im spanischen Granada droht heute erneut Streit über die gemeinsame Migrationspolitik.
Bis zum Donnerstagabend war unklar, ob Länder wie Polen und Ungarn bereit sind, eine geplante gemeinsame Erklärung zum Thema mitzutragen. Grund ist nach Angaben von Diplomaten vor allem, dass die derzeitigen Pläne für eine Reform des europäischen Asylsystems ein Pflicht zur Solidarität vorsehen.
Stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland soll demnach künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen werden. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. Beim Juni-Gipfel hatten Spitzengespräche zum Thema Migration wegen dieses Streits ergebnislos und ohne Erklärung geendet.
Ungarn und Polen wollen von Schutzstandards abweichen können
Ungarn und Polen halten zudem auch die am Mittwoch vereinbarten Pläne für einen Krisenmechanismus innerhalb des EU-Asylsystems für unzureichend. Sie wollen bei einem Massenzustrom von Migranten weitreichend von normalen Schutzstandards für diese Menschen abweichen können.
Am Rande des informellen Gipfels wird es voraussichtlich auch zu einem Gespräch zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni kommen. Meloni hatte sich in einem Brief an Scholz kürzlich über deutsche Finanzhilfen für Nichtregierungsorganisationen beschwert, die Bootsmigranten aus dem Mittelmeer retten, um sie dann in Italien an Land zu bringen. Die Bundesregierung verweist bislang darauf, dass die Hilfe bereits vom Bundestag genehmigt wurde und nicht mehr rückgängig zu machen sei.
Offene Fragen vor der geplanten EU-Erweiterung
Auch eine Debatte über Reformen vor einer möglichen Erweiterung der Europäischen Union steht auf der Tagesordnung. Knackpunkt ist dabei, wie die Union handlungsfähig bleiben kann, auch wenn sie deutlich grösser werden sollte. Im Dezember soll entschieden werden, ob mit der Ukraine und Moldau Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden und ob Georgien den Status des Beitrittskandidaten bekommt.
EU-Ratspräsident Charles Michel sprach sich zuletzt dafür aus, dass die EU bis 2030 bereit für die Aufnahme von Ländern wie der Ukraine sein muss. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen befürwortete eine rasche Erweiterung, nennt jedoch kein Datum. Ein Beitritt der Ukraine gilt als kniffelig, etwa weil das kriegsgeplagte Land vergleichsweise gross ist und vermutlich auf nicht absehbare Zeit Zuschüsse erhalten müsste. Zudem würde die riesige Landwirtschaft eine umfangreiche Reform der EU-Agrarförderungen notwendig machen.
Berlin und Paris wollen Reformen
Frankreich und Deutschland warben zuletzt für Reformen, die den Weg für eine grössere Union ebnen könnten. Demnach soll zum Beispiel das in manchen Politikbereichen übliche Einstimmigkeitsprinzip aufgeweicht werden, um die Blockade von Beschlüssen durch Vetos unwahrscheinlicher zu machen. Ausserdem könnten neue Einnahmequellen für den EU-Haushalt erschlossen und die Möglichkeit von Mittelkürzungen bei Verstössen gegen EU-Standards ausgeweitet werden. Mit einer schnellen Einigung rechnet derzeit allerdings niemand. Dazu liegen die Vorstellungen bislang noch zu weit auseinander.
Beitrittsverhandlungen führte die EU zuletzt mit den Balkanstaaten Montenegro, Albanien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien. Zudem sind neben der Ukraine auch noch das Kosovo sowie Moldau, Georgien und die Türkei Bewerberländer. Mit der Türkei gab es bereits lange Beitrittsverhandlungen, sie liegen allerdings seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Defizite auf Eis.
Vorschläge für neue Ukraine-Hilfen
Auch über die weitere Unterstützung für die kriegsgebeutelte Ukraine im Kampf gegen Russland soll heute geredet werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Chefdiplomat Josep Borrell haben vorgeschlagen, im Zeitraum bis Ende 2027 zusätzliche 70 Milliarden Euro bereitzustellen.
20 Milliarden Euro davon sollen für die Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstungen dienen, die anderen 50 Milliarden Euro vor allem zur Stützung des ukrainischen Staatshaushalts und den Wiederaufbau. Da der Gipfel ein informeller ist, wird es allerdings keine offiziellen Beschlüsse geben. Am Tag zuvor fand ebenfalls in Granada bereits ein Europa-Gipfel mit rund 50 Staats- und Regierungschefs statt.