EU-Kompromiss zu Corona-Paket – Deutschland zahlt mehr
Beim EU-Gipfel war ein Haushalts- und Finanzpaket in der historischen Höhe von 1,8 Billionen Euro vereinbart worden. Deutschland muss künftig mehr zahlen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Haushalts- und Finanzpaket in der Höhe von 1,8 Billionen Euro ist vereinbart worden.
- Deutschland muss künftig zehn Milliarden Euro mehr in den europäischen Haushalt zahlen.
- Nebst einem Haufen Lob gab es auch sehr viele kritische Stimmen gegenüber den Ergebnissen.
Deutschland muss nach dem Kompromisspaket beim EU-Sondergipfel jährlich rund zehn Milliarden Euro mehr in den europäischen Haushalt zahlen. Die jährliche Überweisung nach Brüssel liegt damit künftig bei etwa 40 Milliarden Euro. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus Regierungskreisen.
Nicht eingerechnet ist aber das EU-Geld, das aus Brüssel an Deutschland zurückfliesst. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen verteidigte die Beschlüsse bei dem viertägigen Gipfel. Sie betonte vor allem auch den Nutzen für Deutschland.
Lobende Worte der Beteiligten
Damit will sich die EU gegen die Corona-Wirtschaftskrise stemmen. Kanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Emmanuel Macron und viele andere EU-Staats- und Regierungschefs feierten die Einigung als Erfolg. Die EU-Staaten hätten sich zusammengerauft, sagte Merkel. Macron sprach von einem historischen Tag.
Sie ernteten aber auch deutliche Kritik. Die Ergebnisse seien im Hinblick auf Umweltschutz, Digitalisierung und Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit zu wenig ambitioniert. Rechtspopulisten stellten die Hilfen generell in Frage. Die Augen richten sich nun auf das Europaparlament, das dem Kompromiss zustimmen muss.
Von der Leyen kündigte in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur eine enge Zusammenarbeit mit den Abgeordneten an. Die Kritik wies sie zurück.
Die neue Rechtsstaatsklausel, die die Auszahlung von EU-Geld an die Einhaltung von EU-Werten koppeln soll, werde wirksam sein. Dies betonte die Kommissionschefin: «Der Europäische Rat hat grünes Licht gegeben, dass das europäische Budget im Lichte der Rechtsstaatlichkeit verteidigt werden soll.»
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban bestritt hingegen die Wirksamkeit der neuen Klausel. Die stachelt die Kritik an dem Kompromiss nur noch an.
Klimaschutz kommt viel zu kurz
Auch Klimaaktivistin Greta Thunberg zeigte sich enttäuscht, dass der Klimaschutz viel zu kurz komme. Doch von der Leyen liess dies nicht gelten. Statt 25 Prozent würden künftig 30 Prozent der Haushaltsmittel für Klimaschutz eingesetzt. «Hier ist ein deutlicher Schwerpunkt beim Klima.»
Das Paket umfasst 1074 Milliarden Euro für den siebenjährigen Haushaltsrahmen bis 2027. Weitere 750 Milliarden Euro sind für ein Konjunktur- und Investitionsprogramm geplant. Dieser Wiederaufbauplan beinhaltet 390 Milliarden Euro an nicht zurückzuzahlenden Zuschüssen und 360 Milliarden Euro an Krediten.
Ursprünglich sollte das Verhältnis 500 Milliarden an Zuschüssen zu 250 Milliarden an Krediten betragen. Mit dem Geld soll der beispiellose Wirtschaftseinbruch abgefedert und der EU-Binnenmarkt zusammenhalten werden.
Gerade das sei auch für die deutsche Wirtschaft besonders wichtig, sagte von der Leyen. Allerdings muss Deutschland dafür auch hohe Milliardenbeträge zusätzlich aufbringen.
Der Betrag von künftig rund 40 Milliarden Euro beinhaltet den Angaben aus Regierungskreisen zufolge auch Zölle und Zuckerabgaben. Die erhebt die Bundesrepublik für die EU. Bisher lag die Summe bei 25,5 Milliarden Euro pro Jahr plus Zolleinnahmen in Höhe von durchschnittlich 4,05 Milliarden Euro.
Deutschland bekommt auch Milliardenbeträge aus Brüssel. Wie viel die Mehrbelastung künftig unterm Strich ausmacht, blieb zunächst offen. 2018 hatte Deutschland nach Angaben der Kommission rund 13,4 Milliarden Euro mehr in den EU-Haushalt eingezahlt, als es herausbekommen hatte.
Sparsame Staaten verzögerten die Verhandlungen
Die EU-Staaten hatten sich ungeheuer schwer mit der Einigung getan und vier Tage und Nächte gerungen. Der Weg für den Gesamtdeal wurde frei, nachdem die sogenannten sparsamen Staaten wichtige Punkte akzeptiert hatten. Beispielsweise, dass gemeinsame Schulden aufgenommen werden und Geld als Zuschuss an EU-Staaten geht.
Im Gegenzug willigten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ein, die Zuschüsse von 500 Milliarden auf 390 Milliarden Euro zu verringern. Danach fand man die Formel zur Koppelung von EU-Geldern an die Rechtsstaatlichkeit.
Vor allem die «Sparsamen» zeigten sich mit dem Paket zufrieden. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sprach von einem «guten Resultat für die EU und Österreich». Er lobte das Bündnis, das Österreich mit Schweden, Dänemark und den Niederlanden eingegangen war.
Erleichtert zeigten sich auch die Staaten, die am stärksten von der Corona-Krise betroffen sind und daher am dringendsten Hilfe brauchen. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez sagte, er sei «zu 95 Prozent zufrieden». Für sein Land stünden «in etwa» 140 Milliarden zur Verfügung. Davon 72,7 Milliarden nicht rückzahlbare Subventionen.
«Es ist ein historischer Moment für Europa, es ist ein historischer Moment für Italien», betonte Italiens Regierungschef Giuseppe Conte. Der Wiederaufbauplan entspreche den enormen Herausforderungen der Krise. Für Italien seien etwa 209 Milliarden Euro vorgesehen.
Auch kritische Stimmen
In die Erleichterung mischten sich aber auch sehr kritische Stimmen. «Der Preis des Deals ist hoch», sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. «Jeder Mitgliedstaat hat ein »Zuckerl« für die Heimfahrt in die Hauptstädte bekommen. Wer das Ganze aber als grossen Wurf verkauft, lügt sich in die eigene Tasche.»
FDP-Chef Christian Lindner sagte: «Es gibt viel Besitzstandswahrung. Leider aber sehr wenig neue Impulse für Bildung, für Forschung, für Digitales oder für eine gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik.»
Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, sagte der Funke Mediengruppe: «Mitten in der Corona-Krise weniger Geld für Gesundheit, Forschung und auch Klimaschutz vorzusehen, ist nicht sparsam, sondern dumm.»
Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), sagte dem Rat «harte Haushaltsverhandlungen mit uns im Europaparlament» voraus. Weiter forderte sie in der «Welt» Nachbesserungen bei Rechtsstaatlichkeit und Zukunftsinvestitionen etwa in Bildung und Forschung.
Diese verlangte auch die FDP-Vizevorsitzende Nicola Beer: «Es muss mehr Zukunft in das Paket.»
Höhere Nachlässe als angenommen
Zu den beanstandeten Punkten gehören teure Zugeständnisse an die «Sparsamen Vier». Sie sollen deutlich höhere Nachlässe auf ihre Einzahlungen in den EU-Haushalt bekommen als zunächst vorgesehen. So wurde etwa der jährliche Rabatt für Österreich von 237 Millionen Euro auf 565 Millionen Euro angehoben. Das entspricht einer Steigerung um 138 Prozent.
Rechtspopulisten, wie der Niederländer Geert Wilders, lehnten die als Zuschüsse gewährten Hilfen generell ab: «Doch 390 Milliarden Euro Zuschüsse für Südeuropa. ... Wahnsinn! Milliarden weggeschmissen, die wir im eigenen Land ausgeben müssten», schrieb er auf Twitter.