Präziser, schneller, günstiger: Mit neuen Verfahren kann man Pflanzen effizient genetisch verändern. Der EuGH berät über die Kennzeichnungspflicht.
Gentechnik
Ein Schild, das vor Organismen warnt, die mit Gentechnik verändert wurden. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der EuGH berät über die Kennzeichnungspflicht in Bezug auf Gentechnik.
  • Frankreich verlangt eine Definition für «gentechnisch veränderte Organismen».
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In der Gentechnik ist eine Revolution im Gange. Möglich macht das auch ein relativ neues Werkzeug: Die Genschere Crispr/Cas9, kurz Crispr. Sie ermöglicht es unter anderem, das Erbgut von Pflanzen und anderen Lebewesen präziser, schneller und günstiger zu verändern als bisher. Umstritten ist, inwieweit bestimmte Anwendungen von Crispr und ähnlichen Werkzeugen unter die strengen Auflagen des europäischen Gentechnikrechts fallen. Darüber soll am Mittwoch (25.7.) der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilen.

Was genau wird am EuGH verhandelt?

Ein französisches Gericht will vom EuGH wissen, wie es die europäischen Regeln zur Gentechnik auf bestimmte neue Verfahren anwenden soll. Dabei geht um einen Fall in Frankreich, der sich um Pflanzen dreht. Der EuGH soll klären, was rein rechtlich gesehen «gentechnisch veränderte Organismen» (GVOs) sind und was nicht. Ausserdem geht es um die Frage, für welche GVOs rechtliche Ausnahmen gelten. GVOs unterliegen strengen Vorgaben.

Welche sind das?

GVOs werden vor der Zulassung auf ihre Sicherheit geprüft. Lebensmittel, die unter die GVO-Verordnung fallen, müssen im Handel für die Verbraucher gekennzeichnet sein. In Deutschland kann man solche Lebensmittel aber nicht kaufen, sie werden vom Handel nicht angeboten.

Warum finden Gentechnik-Kritiker das EuGH-Urteil so brisant?

Einige Verbraucherschützer und Gentechnik-Kritiker fürchten, dass die strengen Gentechnik-Regularien ausgehebelt werden. Sollten für bestimmte Eingriffe ins Erbgut von Pflanzen künftig die GVO-Regeln nicht mehr gelten, könnten gewisse gentechnisch veränderte Lebensmittel ohne Sicherheitsprüfung und ohne Kennzeichnung auf den Markt kommen. Die Entscheidung des EuGH ist für die Mitgliedstaaten bindend.

Um welche Gentechnik-Verfahren geht es?

Bei Verfahren, bei denen artfremde DNA in das Erbgut von Pflanzen oder anderen Organismen eingefügt wird, ist die Situation eindeutig, wie Ralf Wilhelm sagt. Er ist Sicherheitsexperte für biotechnologische Verfahren bei Pflanzen am Julius-Kühn-Institut, einem Bundesinstitut. Sie fallen unter die GVO-Regeln. Umstritten ist, inwieweit das auch für Produkte der sogenannten gezielten Mutagenese gilt.

Was bedeutet das EuGH-Urteil für den Verbraucher?

Es gibt in Supermärkten keine GVO-Lebensmittel zu kaufen, weil diese laut Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels die überwiegende Mehrheit der Verbraucher ablehnt. Es gibt in Deutschland auch keine GVO-Pflanzen auf den Feldern. Lebensmittel von Pflanzen, die mit gezielter Mutagenese erzeugt wurden, könnten aber in einigen Jahren in den Supermarkt-Regalen stehen, ohne dass es der Verbraucher merkt. Das könnte dann der Fall sein, wenn der EuGH entscheidet, dass für solche Lebensmittel keine GVO-Regeln gelten und sie nicht gekennzeichnet sein müssen.

Steht dazu schon etwas im EU-Recht?

Nicht direkt. Organismen, die mit älteren Mutagenese-Methoden erzeugt wurden, sind unter gewissen Voraussetzungen von den GVO-Regeln ausgenommen. Dazu gehört, Pflanzen zu bestrahlen oder mit Chemikalien zu behandeln. Dadurch ändert sich das Erbgut an vielen zufälligen Stellen. Pflanzen, die dadurch gewünschte Eigenschaften bekommen, werden dann kultiviert. Ob diese Ausnahme prinzipiell auch Verfahren der gezielten Mutagenese einschliesst, ist Gegenstand des EuGH-Verfahrens.

Ist absehbar, wie das Gericht entscheidet?

Der Generalanwalt des EuGH, Michal Bobek, plädiert dafür, dass Ausnahmen von den GVO-Regeln für alle Mutagenese-Verfahren - einschliesslich neuerer Methoden - gelten sollten. Zudem ist er aber auch der Ansicht, dass die Mitgliedsstaaten eigene, strengere Regeln für diese Verfahren aufstellen können sollten. Die Empfehlungen des Generalanwalts sind für die Richter nicht bindend, in der Mehrzahl der Fälle folgen sie ihnen aber.

Was sagen Gentechnik-Kritiker?

Das Münchner Institut Testbiotech ist der Meinung, dass mit den neuen Methoden veränderte Pflanzen nicht Gewächsen gleichzusetzen sind, die aus herkömmlicher Züchtung stammen. Deshalb könne man schlicht nicht ausschliessen, ob diese veränderten Pflanzen gefährlich seien. Solche Pflanzen sollten demnach unter GVO-Regeln fallen. Eine Sicherheitsprüfung sei unbedingt erforderlich.

Welche Risiken können Gentechnik-Pflanzen bergen?

Es gibt Befürchtungen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen in die Umwelt gelangen und nicht mehr zurückzuholen sind. Dort könnten einige von ihnen einen Vorteil gegenüber anderen Pflanzen haben und sie verdrängen. Einige Gentechnik-Kritiker führen auch an, dass gentechnisch veränderte Pflanzen ihre Erbanlagen mit unabsehbaren Folgen auf andere Gewächse übertragen könnten.

Hat das EuGH-Urteil auch Auswirkungen auf Nutztiere?

Im Prinzip schon. Schliesslich ist im EU-Recht von Organismen im Allgemeinen die Rede. Dazu gehören auch Tiere. Laut Christoph Then von Testbiotech könne auch das Erbgut von Tieren mit der sogenannten gezielten Mutagenese verändert werden. So gebe es Schweine mit mehr Muskeln oder Rinder ohne Hörner. Auf dem Markt seien diese aber noch nicht.

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