Experten fordern Pflichtfach Informatik in den Schulen

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Deutschland,

Alle daddeln auf ihren Smartphones, nutzen Maps, Milliarden Nachrichten schwirren täglich um die Welt - aber die Algorithmen und Technik dahinter verstehen die wenigsten. Experten fordern deshalb: Digitale Bildung schon in der Kita.

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Informatik an Schulen soll weiter gefördert werden. - Friso Gentsch/dpa/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene müssen nach Ansicht von Experten vom deutschen Bildungssystem deutlich besser auf die digitalisierte Welt vorbereitet werden.

In einem Gutachten, das nun vorgestellt wurde, fordert die «Ständige Wissenschaftliche Kommission» - ein bei der Kultusministerkonferenz (KMK) angesiedeltes Beratergremium aus 16 Bildungsforschern - digitale Bildung bereits in der Kita und ein Pflichtfach Informatik in den Schulen in ganz Deutschland.

Darüber hinaus geben die Experten auch Empfehlungen für Hoch- und Berufsschulen. Die Vermittlung digitaler Kompetenzen und Informatikinhalte muss nach Ansicht der Kommission stärker in den Bildungsplänen verankert werden.

Trotz grosser Fortschritte, die die Pandemie gebracht habe, sei die Digitalisierung im Bildungssystem nicht abgeschlossen, sagte der Vorsitzende Olaf Köller. Man sehe weiterhin dringenden Handlungsbedarf. KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU) sprach von einem erfreulichen Digitalisierungsschub. Das sei aber in keiner Weise hinreichend. «Wir sind nämlich (...) in unserem Bildungssystem, wie übrigens gesamtgesellschaftlich auch, durch die Digitalisierung, in einer, ja man kann es glaub ich so nennen, Epochenwende.»

Die Direktorin des Leibniz-Instituts für Wissensmedien, Ulrike Cress, die das Gutachten federführend betreut hat, wies auf ein Grundproblem hin: «Sie können Nachrichten nicht verstehen und Twitter nicht verstehen, wenn sie von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz nicht Grundverständnisse haben.»

«Unplugged»-Informatik in der Kita

Deshalb soll digitale Bildung schon in der Kita eine stärkere Rolle spielen. Dabei geht es nicht darum, Kindern möglichst früh Tablets zum Spielen in die Hand zu drücken. Im Gegenteil: Ziel sollte es laut den Wissenschaftlern sein, «Kinder zu befähigen, digitale Medien als Werkzeug zum kreativen Arbeiten zu begreifen und nicht als blosse interaktive Unterhaltungsmedien».

Entscheidend sei dabei, die informatischen Konzepte, die hinter digitalen Anwendungen lägen, zu verdeutlichen. «Kinder erfahren so, dass Computer und die darauf ablaufenden Programme von Menschen erdacht und gemacht sind.»

Für die sogenannte Elementarinformatik braucht es auch gar nicht zwingend Geräte. Dies gehe auch «unplugged» über Spiele. Zum Beispiel mit zweifarbigen Holzwürfeln, die von Kindern auf die Ziffern 0 und 1 - die beiden digitalen Zustände - gelegt werden können. Am Ende wird ein Motiv sichtbar. So lässt sich die Funktionsweise eines Bildschirms erklären.

«Mensch ärgere Dich nicht!» schult Denken

«Algorithmen sind ja nichts anderes als Abläufe, die nach festen Regeln geschehen. Insofern eignen sich Spiele sehr gut, um auf algorithmisches Denken vorzubereiten», erklärte Köller und empfahl den Klassiker «Mensch ärgere Dich nicht!». Jedes Spiel habe feste Regeln, denen gefolgt werde und die es strukturierten, «wie eben auch Computeralgorithmen».

Als Beispiel für digitale Medien, die in der Kita genutzt werden könnten, nannte Köller «digitale Bilderbücher» zur Sprachförderung, für den Wortschatzaufbau und als Voraussetzung für das spätere Lesenlernen.

Pflichtfach Informatik in der Schule

An den Schulen sollte Informatik nach Ansicht der Bildungsforscher im ganzen Land verpflichtender Bestandteil des Unterrichts sein - an den Grundschulen im Rahmen des Sachunterrichts, ab der Mittelstufe dann als Pflichtfach zum Beispiel mit zwei Stunden Unterricht pro Woche in der 8. und zwei Stunden in der 9. Klasse.

Für die Oberstufe wird als Mindestzielvorgabe formuliert, ebenso viele Schüler im Fach Informatik zu erreichen wie in Physik und Chemie. Informatik soll zudem als Fach anderen Naturwissenschaften gleichgestellt werden, auch beim Abitur.

Probleme: Wenig Lehrkräfte und Fächer-Konkurrenz

Forderungen sind das eine - die Umsetzung ist das andere. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) wies am Montag darauf hin, dass es für ein Pflichtfach Informatik nicht nur die entsprechenden Lehrkräfte brauche. Er nannte ein weiteres Thema, das noch ausdiskutiert werden müsste: «Wenn ein Schulfach neu eingeführt wird, müssen andere Schulfächer in der Regel ein paar Stunden abgeben.» Grundsätzlich sprach er sich für Informatik als Pflichtfach aus.

Eine weitere Herausforderung ist die Qualifizierung von Lehrkräften. Manche bauen digitale Tools schon ganz selbstverständlich in ihren Unterricht ein, vermitteln technische Hintergründe und einen kreativen und auch kritischen Umgang mit digitalen Medien, andere tun das nicht. Und diesen Lehrkräften ist mit ein- oder zweitägigen Weiterbildungen nicht geholfen. Sie bräuchten eigene, authentische Erfahrungen mit digitalen Werkzeugen, entsprechende Experimentalräume und Feedback, sagte Cress. «Das sind längerfristige Ausbildungen.»

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