Expertin: Israel-Krieg könnte andere Konflikte fördern
Nach den Angriffen der Hamas hat Israel den Kriegszustand ausgerufen. Das kann schwerwiegende Folgen auf andere Konflikte haben, findet eine Expertin.
Das Wichtigste in Kürze
- Wie wirkt sich die Situation in Israel auf das Eskalationspotenzial anderer Konflikte aus?
- Laut einer Expertin gibt es einen entscheidenden Unterschied zum Ukraine-Krieg.
- Diplomatische Beziehungen zwischen Israel und Nachbarländern seien gefährdet.
Am Wochenende haben die Hamas israelische Städte attackiert. Bei den Angriffen seien laut israelischen Angaben mehrere hundert Personen umgekommen.
Premier Benjamin Netanjahu stellt sein Land auf «einen langen und schwierigen Krieg» ein. Er kündigt eine harte Reaktion von Israel im Gazastreifen an.
Israel-Krieg hat Auswirkungen auf andere Konflikte
Neben dem Ukraine-Krieg in Europa ist damit ein weiterer, schlimmer Konflikt eskaliert. Mittlerweile sind insbesondere die westlichen Staaten mit zwei grossen Kriegen «beschäftigt».
Welche Auswirkungen hat das auf andere Regionen der Welt, wo ebenso grosses Konfliktpotenzial herrscht?
«Der Krieg zwischen Israel und der Hamas trägt weiter zur ohnehin heiklen Situation im Nahen Osten bei. Die Beziehung zwischen Israel und seinen Nachbarn war schon immer kritisch», sagt Belen Gonzalez gegenüber Nau.ch. Sie ist Leiterin des Forschungsbereichs Internationale Sicherheit, Frieden und Konflikt an der Uni Zürich.
In den letzten Jahren habe es aktive Bemühungen gegeben, diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarländern aufzubauen. «Der Krieg beendet diese Anstrengungen», führt Gonzalez aus.
Als Reaktion auf den Krieg hätten sich einige Länder von Israel distanziert. «Sie befürworten entweder eine Zwei-Staaten-Lösung (Saudi-Arabien) oder unterstützen die Hamas aktiv (Iran)», so die Expertin. Auch die heikle Lage im Libanon werde verschärft.
«Risiko ist nun eine Stufe höher»
Generell eröffne die neue geopolitische Lage die Möglichkeit, dass ungelöste Konflikte über Grenzen oder Regionen eskalieren. Hier sieht Belen Gonzalez einen Unterschied zum Ukraine-Krieg.
«Die Souveränität eines unabhängigen und international anerkannten Staates darf nicht verletzt werden. Die internationale Gemeinschaft und ihre Länder werden das angegriffene Land in diesem Fall verteidigen», sagt Gonzalez.
Aber: Internationale Rahmenbedingungen, um auf die Invasion von Gebieten zu reagieren, die keine unabhängige und anerkannte Nationen sind, gebe es nicht. «Souveräne Staaten können daher die Gelegenheit ergreifen, solche ungelösten Konflikte militärisch zu beenden.»
Als Beispiel nennt die Expertin die Eroberung der armenischen Enklave Bergkarabach durch Aserbaidschan. Zuletzt habe ausserdem Serbien seinen Ton gegenüber dem Kosovo stark verschärft.
Auch Konflikte in Asien bleiben nicht unerwähnt. Gonzalez: «Es gab bereits davor Besorgnis über Chinas Ansprüche auf Taiwan, das Risiko ist nun eine Stufe höher. Anders als die Ukraine oder Israel wird Taiwan nur von etwa 15 Ländern als souveräner Staat angesehen. Eine einheitliche Reaktion auf eine mögliche Invasion wäre daher unwahrscheinlich.»