Implantat soll nicht mehr Urteilsfähige töten
Mit einem Implantat sollen Menschen sterben können, wenn sie nicht mehr urteilsfähig sind. Ein Medizinethiker warnt, es sei unnötig und hochproblematisch.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Todeskapsel-Erfinder will mit einem Implantat Urteilsunfähige sterben lassen.
- Den Chip lässt man sich frühzeitig implantieren und muss ihn regelmässig deaktivieren.
- Ein Medizinethiker warnt, er sei hochproblematisch.
«Ich habe Angst davor, eine andere Person zu werden, sollte ich Demenz bekommen.» Dies sagt eine Frau in einem Video der Sterbehilfeorganisation Exit International. Diese neue Person habe nichts mehr mit dem früheren Ich zu tun, trage bloss noch den Namen und die Identität. In diesem Fall würde die Frau lieber in Würde sterben – aktuell ist das in den meisten Ländern nicht möglich.
Menschen, die nicht mehr urteilsfähig sind, dürfen meist keine Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Eine Lösung will nun Exit International-Gründer Philip Nitschke, der bereits die Sterbekapsel entwickelt hat, bieten: Ein Implantat, das einen tötet, wenn es nicht deaktiviert wird. Der Chip gibt immer wieder einen Ton von sich, in der Folge muss er deaktiviert werden. Tut man das nicht, beispielsweise weil man nicht mehr weiss, was der Ton bedeutet, beendet das Implantat das Leben.
Der Chip existiert aktuell noch nicht, die Idee gibt es in den Niederlanden aber schon seit einigen Jahren. Dort nämlich können urteilsunfähige Menschen Sterbehilfe beanspruchen. So kann in der Patientenverfügung festgehalten werden, dass ein Arzt das Leben bei einer fortgeschrittenen Demenz mit einer Spritze beendet.
Jährlich sterben so rund 2200 Personen. In vielen Fällen aber wollen die Angehörigen nicht, dass die Patientenverfügung tatsächlich wie gewünscht umgesetzt wird.
Medizinethiker: Implantat ist unnötig und hochproblematisch
Das Implantat könnte dies ändern, doch Medizinethiker Jürg Streuli warnt in der «Aargauer Zeitung»: «Es ist ein Überholmanöver auf der rechten Spur.» Bei dementen Personen werde oft nicht richtig hingeschaut. Es sei «verrückt», dass ein Schalter bestimmen soll, wann ein Leben nicht mehr würdevoll sei.
Streuli bezeichnet das Implantat dann auch als «hochproblematisch und unnötig». Hochproblematisch, weil man nicht mit den aktuell gültigen Werten für sich vorausdenken könne. Auch mit Demenz könne man «eine neue Form von Zufriedenheit» und freudvolle Begegnungen erleben.
Unnötig sei der Chip wegen der Patientenverfügung: Dort könne man festhalten, dass bei einer Demenz keine lebensverlängernden Massnahmen ergriffen werden sollten. So könne man ablehnen, künstlich ernährt oder gefüttert zu werden sowie Antibiotika bei einer Infektion zu erhalten. Streuli gibt aber auch zu bedenken, dass Patientenverfügungen oft zu wenig detailliert seien.
Sollte das Todesimplantat ein Bedürfnis sein, müsse man schauen, was die adäquate Lösung sein. Und auch die Diskussion, was ein würdevolles Leben sei, gehöre hier dazu. Es sei schwierig zu sagen, wann die Grenze überschritten und das Leben nicht mehr lebenswert sei.