Journalistinnen als Staatsfeindinnen: Irans Justiz klagt an

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Iran,

Zwei Journalistinnen sind unter den Ersten, die über den Tod einer jungen Frau berichten, der im Iran eine massive Protestwelle auslöst. Sie werden festgenommen. Nun sollen die Prozesse beginnen.

Der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini trifft einen Nerv und bringt im Iran die schwersten Proteste seit Jahrzehnten ins Rollen.
Der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini trifft einen Nerv und bringt im Iran die schwersten Proteste seit Jahrzehnten ins Rollen. - Uncredited/AP/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Umarmung in Trauer: Das Foto der Eltern der verstorbenen Kurdin Jina Mahsa Amini geht um die Welt und löst im Iran heftige Proteste aus.

Die Journalistin Nilufar Hamedi veröffentlicht das Bild Mitte September in den sozialen Medien, aufgenommen kurz nach dem Tod der jungen Frau. Sittenwächter hatten sie wegen eines angeblich schlecht sitzenden Kopftuchs gewaltsam festgenommen, Amini fällt ins Koma und stirbt wenig später.

Sicherheitskräfte durchsuchen Wohnung

Unzählige Frauen haben eigene Erfahrungen mit der berüchtigten Moralpolizei, doch selten kommen Details der Festnahmen ans Licht. Der Tod der jungen Kurdin trifft einen Nerv und bringt im Iran die schwersten Proteste seit Jahrzehnten ins Rollen. Auch die junge Journalistin Elahe Mohammadi berichtet über Amini, reist in ihre kurdische Heimatstadt Saghes und schreibt über die Beerdigung, zu der Menschenmassen strömen. Bald wird deutlich, dass sich die Proteste wie ein Lauffeuer ausbreiten werden. Amini wird zur Protestikone.

Nur sechs Tage nach dem Tod durchsuchen Sicherheitskräfte die Wohnung der Journalistin Hamedi und verhaften sie. Mohammadi wird eine Woche später festgenommen. Angehörige hoffen vergeblich auf eine schnelle Freilassung. Der Geheimdienst bezeichnet die Journalistinnen als «ausländische Agentinnen» und wirft ihnen Propaganda gegen den Staat vor. Nun sollen die umstrittenen Prozesse beginnen.

Seit Monaten in Haft

Mehr als acht Monate sind die Journalistinnen bereits in Haft. Hamedi ist 30 Jahre alt, Kolleginnen beschreiben sie als liebenswürdige Frau, die nur ihren Job gemacht hat und auch die vielen roten Linien im Land kennt. Sie arbeitet für die beliebte Zeitung «Shargh», die immer wieder auch kritische Beiträge veröffentlicht. Die 36-Jährige Mohammadi schreibt für die Zeitung «Hammihan» bereits seit Jahren auch über Frauenrechte. Beide Medien weisen die Vorwürfe gegen ihre Mitarbeiterinnen vehement zurück.

In den Redaktionen im Land herrscht seit der Protestwelle ein bedrückendes Klima. «Die Stimmung ist einfach nur schlecht», sagt eine Journalistin eines bekannten Medienunternehmens in Teheran, die lieber anonym bleiben möchte. Der Druck sei viel grösser geworden. Mitteilungen der Ministerien bringen die Journalistinnen meist ohne grosse Änderungen auf den Draht. Eigene Berichte werden akribisch geprüft, «um bloss nicht kritisch zu wirken». Auf ihren Job ist die Frau Anfang 40 angewiesen. Hinschmeissen kann und will sie nicht.

Beobachterin: Vorwürfe sind konstruiert

Eine frühere Journalistin hat ihrer Branche hingegen den Rücken gekehrt. Angesichts der zunehmenden Beschränkung der Pressefreiheit trauert die Frau, die auch unerkannt bleiben will, ihrem früheren Job nicht hinterher. Viel besser seien die Zeiten früherer Präsidenten gewesen, als noch das Lager der Reformpolitiker an der Regierung war. Einen Sturz des Systems wolle sie nicht. Es müsse ein Journalismus möglich sein, der Veränderungen anstösst, sagt die 52-Jährige.

Als ehrgeizig und talentiert beschreibt sie ihre Kollegin Nilufar, die kritisch hingeschaut habe. Die Vorwürfe der Spionage hält sie für konstruiert, das Vorgehen des Sicherheitsapparats für bitter. «Damit wird eine talentierte Generation verbrannt», sagte die Frau an einem Nachmittag in Teheran.

Druck auch auf Angehörige

Wie vehement der Staat gegen Medienschaffende während der Proteste vorgegangen ist, zeigt ein Blick auf Daten des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) in New York. Fast 100 Medienvertreter werden festgenommen, ein Grossteil von ihnen ist inzwischen wieder auf Kaution frei. Auch Familienangehörige werden unter Druck gesetzt.

Medienschaffende im ganzen Land fordern nun, dass die Prozesse öffentlich verhandelt werden. Die Sorge ist gross, dass die Frauen hinter verschlossenen Türen harte Strafen erhalten. Verhandelt wird das Verfahren vor einem berüchtigten Revolutionsgericht in Teheran, dessen Vorsitzender Richter Abolghassem Salawati für besonders harsche Urteile bekannt ist. Seit mehr als zehn Jahren ist der Mann von der EU mit Sanktionen belegt. Im Rahmen der jüngsten Protestwelle hat Salawati mehrere Todesurteile gegen Demonstranten gesprochen.

Würdigung von der Unesco

Auch international bekommt der Fall der beiden Journalistinnen grosse Aufmerksamkeit. Während Nilufar Hamedi und Elaheh Mohammadi im berüchtigten Ewin-Gefängnis sitzen, zeichnet die Unesco die Frauen für ihre mutige Berichterstattung Anfang Mai in Abwesenheit mit dem Pressefreiheitspreis der UN-Kulturorganisation aus. «Mehr denn je ist es wichtig, alle Journalistinnen zu würdigen, die an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert werden», sagte die Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay in der Urteilsbegründung.

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