Kiew bittet Berlin um Marschflugkörper - Die Nacht im Überblick

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Im Abwehrkampf gegen Russland hat die Ukraine die Bundesregierung um die Lieferung von Marschflugkörpern vom Typ Taurus gebeten.

Eine Luftaufnahme zeigt beschädigte Privathäusern, Granaten- und Raketenkratern in den Vororten von Donezk. Foto: Efrem Lukatsky/AP
Eine Luftaufnahme zeigt beschädigte Privathäusern, Granaten- und Raketenkratern in den Vororten von Donezk. Foto: Efrem Lukatsky/AP - sda - Keystone/AP/Efrem Lukatsky

Eine entsprechende Anfrage aus Kiew sei in den vergangenen Tagen eingegangen, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums am Freitagabend in Berlin. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte an, bei seinen westlichen Partnern weiter um Unterstützung werben zu wollen. «Wir werden alles Mögliche und Unmögliche tun, um die Lieferung weiterer Luftverteidigungssysteme höherer Qualität an die Ukraine zu beschleunigen», sagte das Staatsoberhaupt in seiner abendlichen Videoansprache.

Das sei «im wahrsten Sinne des Wortes eine tägliche Angelegenheit in der Zusammenarbeit mit Partnern». Bei der Modernisierung der Verteidigung komme sein Land schneller voran, als noch vor sechs Monaten absehbar gewesen sei.

Details zu möglicher Marschkörper-Lieferung unklar

Details der Anfrage aus Kiew an das Verteidigungsministerium in Berlin sind noch unklar. So etwa die Frage, um wie viele Einheiten der Marschflugkörper die Ukraine gebeten hat. Zuvor hatte die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» über die Taurus-Anfrage der Ukraine berichtet. Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter hatte sich vor wenigen Tagen für Lieferungen ausgesprochen und gesagt: Die Lenkwaffen mit bis zu 500 Kilometern Reichweite ermöglichten dem angegriffenen Land «Schläge gegen die militärische Infrastruktur der Russen weit hinter der Frontlinie».

Scholz sichert weitere Unterstützung zu

Bundeskanzler Olaf Scholz sicherte bei einem Besuch in Estland der Ukraine in den baltischen Ländern weitere Hilfe zu – so lange wie nötig. «Um es hier nochmal klar zu sagen: Wir sind bereit, jeden Quadratzentimeter Nato-Territoriums gegen Angriffe zu verteidigen», sagte Scholz am Freitag nach einem Treffen mit seinen Kollegen Kaja Kallas (Estland), Krisjanis Karins (Lettland) und Ingrida Simonyte (Litauen) in Tallinn. «Und das meine ich genau so, wie ich es sage.»

Litauen richtet den anstehenden Nato-Gipfel im Juli aus. «Für Frieden in Europa brauchen wir die Ukraine in der EU und in der Nato», sagte Gastgeberin Kallas. Der ukrainische Präsident kündigte in seiner Videobotschaft an, sein Land werde jede Gelegenheit nutzen, um die Beziehungen zu dem westlichen Militärbündnis «mit echten politischen Inhalten zu füllen». Die Ukraine dringt auf eine Aufnahme in die Nato. Scholz dämpfte aber mit Blick auf das Treffen die Erwartung: Bei dem Gipfel werde es «vor allem darum gehen, die konkrete Unterstützung für die Ukraine in dieser Situation zu organisieren».

Russlands Vize-Aussenminister Michail Galusin sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Tass in der Nacht zum Samstag, eine der Bedingungen für einen Frieden sei, dass das Nachbarland nicht Mitglied der Nato und der EU werde.

Kiew: Russland feuert wieder Raketen aufs Nachbarland ab

Russland setzte auch am Freitag seine Angriffe unvermindert fort. Der ukrainische Generalstab zählte bis zum Abend mindestens 18 Raketenangriffe auf bewohnte Gebiete rund um die Region Kiew und Dnipropetrowsk im Südosten des Landes. Ausserdem habe Russland Raketen der eigentlich zur Luftabwehr bestimmten Systeme S-300 und S-400 eingesetzt, hiess es im Abendbericht der Armee. Das Militär registrierte zudem 60 Luftangriffe – dabei seien auch sogenannte Kamikaze-Drohnen vom iranischen Typ Shahed-136/131 verwendet worden.

Bemühungen um Friedensgespräche

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bekräftigte nach eigenen Angaben bei einem Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin, dass sein Land ebenso wie Indien, Indonesien und China bereit zu einem Dialog mit beiden Konfliktparteien sei. Am Freitag hielt sich Chinas Sondergesandter Li Hui zu Gesprächen in Moskau auf. Parallel berichtete das «Wall Street Journal» unter Berufung auf einen nicht näher genannten Diplomaten, Li Hui solle Europa aufgefordert haben, Russland die im Osten der Ukraine besetzten Gebiete zu «überlassen».

Die Ukraine hat immer wieder klargemacht, das nicht zu akzeptieren. Selenskyjs Berater Mychajlo Podoljak warnte bei Twitter, ein solches Szenario käme einem Sieg Russlands gleich und wäre zugleich eine Niederlage der Demokratie. Moskau besteht vor möglichen Verhandlungen etwa darauf, dass die Ukraine auf die besetzten Gebiete verzichtet.

Der frühere Bundesaussenminister Joschka Fischer sagte dazu dem «Tagesspiegel»: «Es wird ein schmerzhafter Waffenstillstand werden, der beide Seiten nicht zufriedenstellt.» Und ergänzte: «Wenn am Ende für Putin eine Bestätigung in Richtung Krim und einige Korrekturen im Osten herauskämen und er das zu Hause als Erfolg präsentieren muss, wird das sicher nicht leicht. Umgekehrt werden die Ukrainer sich sehr schwertun, territoriale Kompromisse einzugehen.»

Das wird am Samstag wichtig

Mit Spannung wird erwartet, ob es neue Informationen zur Lage in der umkämpften ukrainischen Stadt Bachmut gibt. Russland hatte am vergangenen Wochenende die Eroberung der völlig zerstörten Stadt verkündet. Die Ukraine hat das bislang nicht bestätigt. In der Nacht zum Samstag berichtete die ukrainischen Agentur Unian unter Berufung auf das Militär in Kiew, es füge dort den russischen Truppen «weiterhin schwere Verluste» zu. Die Angaben aus dem Kriegsgebiet lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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