Klima-Urteil des EGMR: So berichtet das Ausland über die Schweiz
Bei den Klimaseniorinnen herrscht nach dem Urteil des EGMR Jubelstimmung, die SVP ist zornig. Das Urteil könnte grosse Auswirkungen auch aufs Ausland haben.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Europäische Gerichtshof ist auf die Beschwerde der Klimaseniorinnen eingetreten.
- Das Urteil: Die Schweiz tue zu wenig für den Klimaschutz und gefährde damit Ältere.
- Die ausländische Presse spricht von einem «historischen Urteil» und einem «Präzedenzfall».
Die Schweiz ist am Dienstag in Strassburg (F) abgewatscht worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied zugunsten der Schweizer Klimaseniorinnen.
Die Rüge: Die Schweiz tue zu wenig gegen den Klimawandel und verletze damit die Menschenrechte. Die Beschwerde der Klimaseniorinnen hätten die Schweizer Gerichte nicht ernst genommen und somit wissenschaftliche Beweise nicht berücksichtigt.
Über dieses Urteil staunt auch das Ausland.
Deutschland rechnet mit weiteren Klagen
Der deutsche «Focus» spricht von einem «historischen Sieg» und einem «Präzedenzfall für weitere Klimaklagen». Das Urteil könnte über die Schweiz hinaus Folgen haben. Zum einen vor weiteren Klimaklagen vor dem EGMR, andererseits könnte das Urteil auch von nationalen Gerichten als Vorbild verwendet werden.
Der «Focus» verweist in diesem Zusammenhang auf eine anstehende Klage von neun Jugendlichen und jungen Erwachsenen gegen die deutsche Regierung. Unterstützung erhalten sie von der Deutschen Umwelthilfe. «Der Gerichtshof hatte die Entscheidung zunächst ruhen lassen, bis über das Verfahren der Schweizer Klimaseniorinnen entschieden ist.»
In einem Kommentar für die deutsche «Tagesschau» der ARD schreibt die Journalistin Gigi Deppe zum Urteil aus Strassburg: «Künftige Generationen werden dankbar sein.» Durch das Urteil werde das Problem des Klimawandels nicht mehr nur politisch problematisiert, sondern auch juristisch aufgeladen.
Das sei folgenreich: «Damit ist es nicht nur Sache der Regierungen, politisch für mehr Klimaschutz zu sorgen. Das Recht ist einklagbar», so Deppe weiter.
Briten-Zeitung berichtet über möglichen «Swixit»
Bei den Brexit-Briten findet man hingegen nicht das nur das Urteil an sich, sondern auch die innerpolitischen Reaktionen spannend. Grund: Die SVP bezeichnet das Strassburger Urteil als «inakzeptabel» und fordert nun den Austritt aus dem Europarat.
Das von der EU unabhängige Gremium setzt sich für Menschenrechte, Demokratie und Rechtstaatlichkeit ein. Grossbritannien ist weiterhin Teil des Rates.
Als Reaktion auf die SVP-Forderung titelt die «Daily Mail» nun: «Zeit für einen Swixit! Die grösste politische Partei der Schweiz fordert den Austritt aus dem Europarat nach dem ‹skandalösen› Urteil des EGMR.»
Die Briten-Zeitung spricht davon, dass die Schweiz nun zur Umsetzung von weiteren Klimaschutzmassnahmen gezwungen werde. Gleiches gelte auch für die übrigen Europarat-Mitgliedstaaten, darunter eben auch Grossbritannien.
Und auch in Übersee nimmt man den Erfolg der Schweizer Klimaseniorinnen zur Kenntnis. Die «Washington Post» schreibt von einem «bahnbrechenden Urteil», das von Klimaaktivistinnen und -aktivisten begrüsst werde.
Urteil könnte Einfluss auf Schweizer Gesetze haben
Auf was steuert die Schweiz nun zu?
Die Juristin und Klimarecht-Spezialistin Corina Heri von der Universität Zürich klärte gegenüber dem «Beobachter» über die Folgen des Urteils auf: «Die Schweiz als Mitglied des Europarats muss umsetzen, was der Gerichtshof entscheidet. Die Erfahrung zeigt auch, dass die Schweiz das meist zeitnah und gründlich tut.»
Konkrete Anweisungen sehe das Urteil nicht vor, sagte sie. Allerdings: «Ich könnte mir schon vorstellen, dass es einen Einfluss auf Gesetze haben wird, in denen es um den Klimaschutz geht.»