Lufthansa greift mit Partner nach Nachfolgerin der Alitalia
Nach einer fast endlosen Serie von Pleiten und Rettungsversuchen bei der Vorgängerin Alitalia zeichnet sich eine Zukunft für Italiens Staats-Airline ITA ab. Mit an Bord ist der Lufthansa-Konzern.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Lufthansa nimmt mit einem starken Partner Kurs auf das langgehegte Ziel Italien.
Gemeinsam mit der grossen Container- und Kreuzfahrtreederei MSC aus Genf strebt Europas umsatzstärkster Luftverkehrskonzern die mehrheitliche Übernahme der Alitalia-Nachfolgerin ITA Airways an, wie alle Beteiligten bestätigt haben.
Gesprochen werden muss vor allem mit dem italienischen Staat, der die ITA vollständig besitzt. Für die Übernahme-Verhandlungen haben sich MSC und Lufthansa eine Frist von 90 Arbeitstagen ausbedungen. Die Reederei MSC will laut ITA-Verwaltungsratspräsident Alfredo Altavilla die Mehrheit übernehmen.
Dass die kürzlich vom Staat gerettete Lufthansa erwägt, mit eigenem Kapital einzusteigen, wie der MDax-Konzern am Dienstag erklärte, ist eine Kehrtwende. Auch nach Rückzahlung der deutschen Staatshilfen hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr betont, man suche nur eine «kommerzielle Partnerschaft». Die Details sollen anhand der exakten ITA-Unternehmensdaten in den kommenden Wochen ausgehandelt werden. Klar ist, dass der italienische Staat als Minderheitsgesellschafter an Bord bleiben will.
Ordentlich herausgeputzt
Die seit Oktober 2021 am Himmel aktive ITA ist nach mehreren Pleiten und milliardenschweren Stützungen der Vorgängerin Alitalia ordentlich herausgeputzt worden. Nur noch 2800 von einstmals 11 000 durchaus streikfreudigen Beschäftigten sind noch an Bord, die Airbus-Flotte von derzeit 52 Flugzeugen soll trotz Corona-Flaute umfassend erneuert und auf 105 Jets erweitert werden. Die ITA wäre dann grösser als die bislang grösste Lufthansa-Tochter Swiss. Der Sanierer Altavilla sagte dem «Handelsblatt», dass es bereits ein grosser Erfolg sei, in so wenigen Monaten das Interesse eines «grossen Unternehmens wie der Lufthansa und einer grossen Gruppe wie MSC geweckt zu haben.»
Sollte es zu einer Übernahme kommen, werden die neuen Eigner darauf bestehen, die ITA in die von Lufthansa dominierte Star Alliance zu integrieren und Umsteiger auf die eigenen Drehkreuze wie Frankfurt, München oder Zürich zu lenken. Bislang sind die Italiener im SkyTeam von Air France-KLM vertreten.
Italien ist schon lange ein Sehnsuchtsland der Lufthansa, immer mal wieder wurden bei der Alitalia Kooperationen und Teilübernahmen angestrebt. Der Markt südlich der Alpen gehört zu den umsatzstärksten in Europa mit einem starken Touristengeschäft und engen Bindungen nach Nordamerika. Bereits Spohrs Vorvorgänger Wolfgang Mayrhuber hatte 2009 versucht, die neu gegründete «Lufthansa Italia» gegen die damals gerade privatisierte Alitalia zu etablieren. Nach hohen Verlusten verblieb 2011 nur noch die Lufthansa-Tochter Air Dolomiti in Italien, wo inzwischen Ryanair und Wizz Air das Geschehen dominieren.
Lukrativer Markt
«Natürlich ist der italienische Markt hochlukrativ. Und da Italien niemals auf seine eigene Airline verzichten wird, ist die Übernahme ein richtiger Schritt», sagt Gerald Wissel von der Luftfahrt-Beratungsgesellschaft Airborne. Er warnt aber zugleich vor alten und neuen Problemen. Der Einfluss der italienischen Gewerkschaften müsse dauerhaft begrenzt und das ausufernde Drehkreuz-System des Lufthansa-Konzerns neu sortiert werden. «Man sollte Rom mit Wien, München und Brüssel gemeinsam betrachten.»
Für die Verantwortlichen in Rom scheint die Offerte der Lufthansa und der MSC-Reederei mit ihren italienischen Wurzeln sehr verlockend zu sein. Die industrielle Logik der Offerte sei «sehr überzeugend» und «äusserst interessant», verteilte Altavilla schon einmal reichlich Vorschusslorbeeren. Neben rund drei Millionen MSC-Kreuzfahrtpassagieren als potenziellen Kunden sehe er auch Möglichkeiten im Frachtbereich: «Cargo ist heute der Sektor, in dem die höchsten Gewinnspannen erzielt werden.»
Wettstreit um Übernahmen
Die Branchenriesen in der Schifffahrt liefern sich mit prall gefüllten Kassen einen Wettstreit um Übernahmeziele. Die sehr expansive, 1970 vom Italiener Gianluigi Aponte gegründete Mediterranean Shipping Company (MSC) hat gerade nach Jahrzehnten den Konkurrenten Maersk vom ersten Platz bei der angebotenen Frachtkapazität verdrängt. Aponte gehörte schon 2008 zu einem Aktionärskonsortium zur Rettung der Alitalia, stieg aber bald aus dem von Silvio Berlusconi geschmiedeten Bündnis aus.
«Ihre Ziele sind vielfältig und zeigen die Ambitionen, mehr Einfluss auf die globalen Lieferketten zu gewinnen», schreiben die Analysten der Unternehmensberatung PwC in einer aktuellen Studie über die Mega-Reedereien. Neben Investitionen ins Kerngeschäft Schifffahrt sowie in Hafenterminals kauften Reedereien verstärkt auch «Spediteure, um direkten Zugang zu den Verladern zu erhalten». Auch Airlines passen da nicht schlecht, wie es die französische CMA CGM vormacht.