EU auf Konfrontationskurs zur Türkei
Wochenlang hat die Bundesregierung versucht, neue EU-Sanktionen gegen die Türkei unnötig zu machen. Der wichtigste Akteur spielte bei dem Vorhaben aber nicht mit. Nun zieht Bundesaussenminister Heiko Maas eine Bilanz, die Folgen haben dürfte.
Das Wichtigste in Kürze
- Die deutschen Bemühungen um eine Entspannung der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei sind vorerst gescheitert.
Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) erklärte am Montag in Brüssel, es habe «viel zu viele Provokationen» gegeben.
Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag müsse nun über die Konsequenzen entschieden werden. Im Gespräch sind vor allem Strafmassnahmen wegen der als illegal erachteten türkischen Erdgaserkundungen vor Zypern. Griechenland fordert zudem ein allgemeines EU-Waffenembargo gegen die Türkei. Für einen solchen Schritt dürfte es aber vorerst nicht die erforderliche Zustimmung aller anderen EU-Staaten geben.
«Uns geht es innerhalb der Europäischen Union jetzt zunächst einmal darum, zu reagieren auf das, was insbesondere mit Blick auf Zypern schon sehr, sehr lange innerhalb der Europäischen Union diskutiert wird», sagte Maas nach Beratungen mit den anderen EU-Aussenministern. Deutschland sei grundsätzlich der Auffassung, dass die Europäische Union weiterhin einen Dialog mit der Türkei führen müsse.
Zugleich zeigte sich Maas enttäuscht über die jüngsten Entwicklungen. «Gerade Deutschland hat sich in den letzten Wochen sehr viel Arbeit gemacht, um Kompromisse zu erzielen - auch zwischen der Türkei, Griechenland und Zypern», erklärte er. «Das ist bedauerlicherweise nicht gelungen.»
Ähnlich äusserte sich der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell nach den Beratungen mit den EU-Aussenministern. Die Situation habe sich weiter verschlechtert, konstatierte der Spanier. Niemand könne eine wesentliche Änderung des türkischen Verhaltens erkennen.
In dem Konflikt mit der Türkei geht es vor allem darum, dass Griechenland und Zypern der Türkei vorwerfen, im östlichen Mittelmeer illegal Erdgasvorkommen zu erkunden. Die türkische Regierung weist die Vorwürfe zurück und vertritt den Standpunkt, dass die Erdgassuche rechtmässig sei und nur in Seegebieten erfolge, die zum türkischen Festlandsockel gehören.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Montag, es sei nicht möglich, dass die Türkei mit der längsten Küste im Mittelmeer bei den Entwicklungen in der Region Zuschauer bleibe. Ankara vertrete die eigenen Interessen und die der türkischen Zyprer. Die Türkei habe mehrmals zum Ausdruck gebracht, dass sie sich «Drohungen und Erpressungen» nicht beugen und Imperialismus nicht zulassen werde, sagte er weiter.
Zudem warnte Erdogan die EU vor einer Instrumentalisierung durch Griechenland. Die Europäische Union müsse sich sobald wie möglich von ihrer «strategischen Blindheit» befreien und dürfe nicht zulassen, dass sie von Griechenland und den griechischen Zyprern als «Rammbock im östlichen Mittelmeer» benutzt werde, sagte Erdogan in einer Videobotschaft. Er wünsche nach wie vor eine Konferenz mit allen beteiligten Akteuren. «Wie erwarten von unseren Ansprechpartnern, dass sie diese Hand, die die Türkei ausgestreckt hat, nicht in der Luft hängenlässt.»
In der EU werden solche Äusserungen mittlerweile allerdings kaum mehr ernst genommen. So hatte Erdogan jüngst mit einem Besuch der früher von Griechisch-Zyprern bewohnten Küstensiedlung Varosha in der einstigen Touristenstadt Famagusta in Nordzypern für neuen Ärger gesorgt. Zypern ist seit 1974 nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention geteilt. Im Norden gibt es die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern. Die Republik Zypern, die seit 2004 EU-Mitglied ist, beherrscht nur den Süden der Insel.