Italiens Premierministerin Giorgia Meloni will trotz einer Gerichts­niederlage ihre Pläne zur Unterbringung von Mittelmeer-Flüchtlingen umsetzen.
Giorgia Meloni
Italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. - EPA/WAEL HAMZEH

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will trotz einer schweren Niederlage vor Gericht ihre Pläne zur Unterbringung von Mittelmeer-Flüchtlingen ausserhalb der EU durchziehen. Die rechte Regierungschefin stellte klar, dass die beiden kürzlich eröffneten Lager in Albanien in Betrieb bleiben. Zugleich sprach sie der Justiz das Recht ab, darüber zu entscheiden, aus welchen Ländern Migranten dorthin verfrachtet werden. Ein Gericht in Rom hatte am Freitag verfügt, dass eine erste Gruppe von zwölf Männern weiter nach Italien darf.

Italien ist der erste Staat der Europäischen Union, der über Asylanträge ausserhalb der EU urteilen will. Das umstrittene Vorhaben wird von allen anderen EU-Ländern aufmerksam verfolgt. Insbesondere andere rechte Regierungen erwägen, sich das Meloni-Modell zum Vorbild zu nehmen. Bleibt es bei dem Beschluss des Gerichts in Rom, das sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs stützt, wäre das auch für sie ein schwerer Schlag.

Erste Gruppe von Migranten jetzt komplett in Italien

Auf Anordnung des Gerichts wurden sieben Männer aus Bangladesch und fünf Ägypter mit einem Schiff der italienischen Küstenwache am Samstag aus dem Lager Shengjin über die Adria in die süditalienische Hafenstadt Bari gebracht. Über ihr Schicksal wird jetzt auf italienischem Boden entschieden. Das Gericht begründete seinen Beschluss damit, dass Ägypten und Bangladesch keine sicheren Herkunftsländer seien. Damit stehen die neuen Lager in Albanien nach nur zwei Tagen wieder leer.

Flüchtlinge italien
Flüchtlinge in italien. - keystone

Melonis Rechtsregierung kündigte an, in Berufung zu gehen – notfalls bis vors höchste italienische Gericht. Zudem berief die Ministerpräsidentin ihr Kabinett für Montag zu einer Sondersitzung ein, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Die Vorsitzende der Rechtspartei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) sagte: «Ich denke nicht, dass es an der Justiz ist, darüber zu entscheiden, welche Länder sicher sind, sondern Aufgabe der Regierung.» Vermutlich wird jetzt ein neues Dekret erlassen, das Herkunftsländer neu definiert.

Meloni-Regierung mit Justiz ohnehin über Kreuz

Wegen ihrer harten Linie im Umgang mit Flüchtlingen liegt die Regierung mit der Justiz ohnehin über Kreuz. Das wird nun noch heftiger. Justizminister Carlo Nordio sprach von einem «abnormalen Urteil». Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini drohen sogar bis zu sechs Jahre Haft, weil er in seiner Zeit als Innenminister ein Schiff mit Migranten in Not wochenlang am Einlaufen in einen Hafen hinderte. Das Urteil soll vor Weihnachten verkündet werden.

Mehrfach warfen rechte Minister der Justiz vor, sich von der Linken instrumentalisieren zu lassen. Zum Beschluss des Gerichts in Rom meinte Salvini: «Wer trägt die Folgen, wenn einer der zwölf jemanden vergewaltigt?» Auch bei einer Haftstrafe will der Chef der Rechtspartei Lega im Kabinett bleiben. In der Bevölkerung hat die rechte Regierung Umfragen zufolge für ihre harte Linie Rückhalt.

Justiz beruft sich auf Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Richterin Luciana Sangiovanni verteidigte ihren Beschluss. «Wir konnten gar nicht anders entscheiden», sagte sie der Tageszeitung «La Stampa». Grundlage dafür war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach ein EU-Mitglied ein Herkunftsland nur dann als sicher einstufen darf, wenn die Bedingungen dafür in dessen gesamtem Hoheitsgebiet erfüllt sind. Legt man diese Definition zugrunde, könnten in den Albanien-Lagern nur noch Migranten aus einigen wenigen Ländern aufgenommen werden.

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Flüchtlinge vor Tunesien auf dem Weg nach Italien - AFP/Archiv

Meloni kam mit dem Versprechen ins Amt, die hohe Zahl von Menschen, die jedes Jahr übers Mittelmeer nach Italien fliehen, deutlich zu senken. Tatsächlich sind die Zahlen erstmals deutlich niedriger: Seit Anfang Januar wurden 55.000 Neuankömmlinge registriert. Vor einem Jahr waren es bis Mitte Oktober noch mehr als 140.000.

In den albanischen Lagern, die erst mit monatelanger Verzögerung in Betrieb gingen, sollen Anträge im Schnellverfahren geprüft werden: Wer Anspruch hat, darf weiter nach Italien. Alle anderen müssen zurück.

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