Migration

Migration und Dschungelcamp: Kanzlerkandidaten in TV-Runde

Keystone-SDA
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Deutschland,

Die vier Kanzlerkandidaten debattierten bei RTL. Neben Wirtschaft und Migration ging es auch um eine mögliche Teilnahme beim Dschungelcamp.

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Die deutschen Kanzlerkandidaten im Studio von RTL. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Woche vor der Wahl in Deutschland kam es bei RTL zum Quadrell der Kanzlerkandidaten.
  • Olaf Scholz bekräftigt, die irreguläre Migration reduzieren zu wollen.
  • Friedrich Merz betont, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD gebe.
  • Und Alice Weidel verteidigte sich gegen Vorwürfe des Rechtsextremismus.

Eine Woche vor der Bundestagswahl haben sich erstmals die vier Kanzlerkandidaten von SPD, Union, Grünen und AfD in einer TV-Runde einen heftigen Schlagabtausch zu zentralen politischen Fragen geliefert. In der Viererrunde von RTL traten die konträren Positionen zutage: zur Migration, zur Wirtschafts- und Finanzpolitik, zum Ukraine-Krieg oder zur Rentenpolitik.

Streit über Abschiebungen nach Afghanistan

Bundeskanzler Olaf Scholz machte deutlich, dass er die irreguläre Zuwanderung nach Deutschland weiter reduzieren will. «Wir bleiben dran und müssen auch dranbleiben.» Scholz sagte, dass die Zahl der Abschiebungen seit Beginn seiner Amtszeit um 70 Prozent gestiegen sei.

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Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD, will die irreguläre Migration reduzieren. - keystone

CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz konterte, dass zurzeit in vier Tagen so viele neue Flüchtlinge nach Deutschland kämen wie im Monat abgeschoben werden. Er forderte die Bundesregierung auf, Gespräche mit den Taliban in Afghanistan über die Rückführung von Flüchtlingen aufzunehmen.

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck betonte, dass die Taliban ein «Terrorregime» seien. Es gebe kein Land, das mit ihnen diplomatische Beziehungen unterhalte. Mit den Taliban zu verhandeln, sei ein «Adelsschlag für dieses Regime».

AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel sagte mit Blick auf die Zahl der Menschen, die ohne Einreiseerlaubnis ins Land kommen: «Die Menschen wollen diesen Kontrollverlust in unserem Land nicht mehr haben.»

Merz für Smartphone-Verbot in Grundschulen

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist für ein Smartphone-Verbot in Schulen, zumindest für jüngere Kinder. Das sei in Schleswig-Holstein schon erprobt, «scheint mir eine vernünftige Antwort zumindest für die Grundschule zu sein», sagte Merz.

Auch die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel sprach sich für ein solches Verbot aus. Die Kanzlerkandidaten von SPD und Grünen, Olaf Scholz und Robert Habeck, lehnten es ab. Die Frage lautete: «Smartphone-Verbot in Schulen, ja oder nein?»

Scholz und Merz verbitten sich US-Einmischung in Wahlkampf

Die umstrittene Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz strahlte bis in die Fernsehrunde aus. Vance hatte in München unter anderem erklärt, es gebe keinen Platz für Brandmauern. Er nahm dabei indirekt Bezug auf die deutsche Debatte über eine Abgrenzung von der AfD.

Vance warnte in diesem Zusammenhang vor einer Gefährdung der Demokratie. Der Begriff der Brandmauer bezieht sich vor allem auf die Union und die AfD.

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Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, kritisiert die Einmischung von US-Vizepräsident J.D. Vance. - keystone

Scholz sagte: «Was dort gesagt wurde, ist völlig unakzeptabel.» Deutschland habe aus der Erfahrung des Nationalsozialismus die Lehre gezogen, dass es keine Zusammenarbeit mit den extrem Rechten gebe.

Merz betonte mehrfach, für die Union komme eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage. «Und ich verbitte mir solche Einmischungen in die deutsche Bundestagswahl und auch in die Regierungsbildung danach.» Er fügte hinzu: «Ich lasse mir doch nicht von einem amerikanischen Vizepräsidenten sagen, mit wem ich hier in Deutschland zu sprechen habe.»

Scholz wehrt sich gegen Rentenreform

Bundeskanzler Olaf Scholz weist Zweifel an der Stabilität des Rentensystems zurück. «Ich bin fest davon überzeugt, dass wir, wenn genügend Leute arbeiten, auch in Zukunft stabile Renten haben werden», sagte der SPD-Politiker.

Experten, die dies bezweifelten, hätten sich schon in der Vergangenheit mit der Vorhersage viel höherer Beiträge geirrt. Eine Erhöhung des Rentenalters von 67 auf 70 Jahre schloss Scholz aus. «Mit dem Alter von 67 ist das Ende der Fahnenstange erreicht», sagte er.

Die Kanzlerkandidaten von Grünen, Union und AfD forderten hingegen teils tiefgreifende Reformen. AfD-Kandidatin Alice Weidel plädierte zudem für die Abschaffung der Rentenbesteuerung.

Hitziger Streit: Wie rechts ist die AfD?

Der Hinweis von Scholz auf den Nationalsozialismus liess AfD-Chefin Weidel empört reagieren: «Diesen Vergleich finde ich skandalös. Den weise ich für mich persönlich und für die gesamte Partei zurück.»

Der Kanzler erinnerte auch an Aussagen des AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland, der im Juni 2018 gesagt hatte, Hitler und die Nazis seien «nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte». Später bezeichnete Gauland seine Äusserung als «missdeutbar und damit politisch unklug».

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Alice Weidel, die Kanzlerkandidatin der AfD, wehrt sich gegen Nazi-Vergleiche. - keystone

Weidel entgegnete: «Sie können mich hier heute Abend beleidigen, wie Sie wollen, Sie beleidigen damit Millionen von Wählern. Mich trifft das überhaupt nicht, ich repräsentiere diese Stimmen nur. Schreiben Sie sich das bitte hinter Ihre Ohren.»

Merz nannte die AfD «eine rechtsradikale Partei, zum grossen Teil rechtsextremistisch». Er warf Weidel vor, sie würde AfD-Rechtsaussen Björn Höcke «adeln».

In einem Interview mit der «Bild»-Zeitung hatte Weidel gesagt: «Also Björn Höcke und ich, wir verstehen uns sehr gut.» Ihren früheren Versuch, Höcke aus der AfD auszuschliessen, bezeichnete sie als Fehler. Auf die Frage, ob sie ihn als geeignet für ein Ministeramt betrachte, antwortete Weidel mit «Ja».

«Voodoo-Ökonomie» und «Bürokratie-Monstrum»

Auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik fanden Scholz, Merz, Habeck und Weidel keinen gemeinsamen Nenner. Scholz und Habeck warfen Union und AfD eine sozial ungerechte Steuerpolitik vor: Sie wollten mit milliardenschweren Plänen zu Steuersenkungen vor allem Menschen mit hohen Einkommen entlasten. Die Pläne seien zudem nicht gegenfinanziert, Habeck sprach mit Blick auf die Union und Merz von «Voodoo-Ökonomie».

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Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, wehrt sich gegen mögliche Verhandlungen mit den Taliban. - keystone

Merz hielt dagegen: Er warf Scholz und Habeck mit Blick auf die Rezession in Deutschland eine verfehlte Wirtschaftspolitik vor. Er nannte als Beispiel das Lieferkettengesetz und das Abschalten der Atomkraftwerke. «Wir müssen raus aus dieser Rezession.»

Man müsse das «bürokratische Monstrum» in den Griff bekommen. Der CDU-Vorsitzende sprach sich zudem für eine Senkung der Unternehmenssteuern aus.

Scholz erneuerte den Vorschlag der SPD, 95 Prozent der Steuerzahler zu entlasten. Im Gegenzug sollten Reiche mehr zahlen. Wenn man wie er als Kanzler über 300'000 Euro verdiene, solle man mehr Steuern zahlen.

AfD-Chefin Alice Weidel sagte, die Energiepreise müssten durch Technologieoffenheit herunter, zum Beispiel durch grundlastfähige Kernkraftwerke, durch Kohle und durch Gas. Die gigantische Subventionspolitik bei erneuerbaren Energien müsse beendet werden, genauso wie die CO2-Abgabe.

Opposition oder Dschungelcamp?

Für vorübergehende Irritation sorgte eine Frage an die vier Kandidaten zum RTL-Reality-Format «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!», in dem Promis gegeneinander antreten: «Was ist schlimmer für Sie, Opposition oder Dschungelcamp?» Weidel antwortete: «Definitiv Dschungelcamp.»

Merz sagte zunächst: «Ich wundere mich über die Frage.» Dann: «Lieber Jahrzehnte in der Opposition als zehn Tage im Dschungelcamp.»

Dem schloss sich Habeck an. Scholz sagte: «Ich will auch nicht ins Dschungelcamp.» Er habe die Sendung aber schon einmal gesehen.

Wer kommt besser ab?

Für ungläubige Reaktionen sorgte eine Frage an Merz: «Was ärgert Sie mehr: Dass Olaf Scholz immer sagt, Sie lügen? Oder dass sogar der Bundeskanzler besser bei jungen Frauen ankommt als Sie?»

Weidel fragte ungläubig und lachend: «Der Bundeskanzler kommt besser bei jungen Frauen an? Echt?» Dazu brauche man in jedem Fall einen Faktencheck. Merz war ebenfalls verwundert: «Das höre ich heute Abend auch das erste Mal.»

Umfragen zeigen seit Wochen wenig Bewegung

Die Parteien hoffen, nicht zuletzt mit solchen Talkrunden noch Wählerinnen und Wähler überzeugen zu können. Die Meinungsumfragen der Forschungsinstitute zeigen seit Wochen kaum Bewegung. Allerdings ist die Gruppe der noch Unentschiedenen offenbar gross. Im jüngsten ZDF-«Politbarometer» gaben 28 Prozent an, dass sie noch nicht sicher sind, ob und gegebenenfalls wen sie wählen werden.

In den Umfragen bewegt sich die CDU/CSU bei 29 bis 32 Prozent, gefolgt von der AfD mit 20 bis 21 Prozent. Die SPD kommt auf 14 bis 16 Prozent, die Grünen liegen bei 12 bis 14 Prozent. Die Linke käme mit 6 bis 7 Prozent wieder in den Bundestag. Das BSW und die FDP müssen mit jeweils 4 bis 5 Prozent ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde befürchten.

Weitere TV-Duelle

Scholz, Merz, Habeck, Weidel waren bereits am vergangenen Donnerstag Gäste in der ZDF-Sendung «Klartext» gewesen. Dabei wurden sie allerdings nacheinander von Zuschauerinnen und Zuschauern befragt. Schon an diesem Montag werden sie sich in der ARD-«Wahlarena» wiedersehen – auch dabei stellen Bürger die Fragen. Am Mittwoch werden sich dann Scholz und Merz ein weiteres Duell liefern, dann bei Welt-TV und bild.de.

Am Donnerstag wollen ARD und ZDF den Spitzenkandidaten aller im Bundestag vertretenen Fraktionen und Gruppen auf den Zahn fühlen. Selbst am Samstagabend planen die Sender Pro7/Sat1 noch eine Kanzlerkandidatenrunde.

Kommentare

User #1129 (nicht angemeldet)

Sollte Merz und die Grünen die Regierung bilden, wird die nach einem Jahr wieder aufgelöst. Die Menschen werden sich das auf Dauer nicht gefallen lassen.

User #6379 (nicht angemeldet)

Dieser Wahlkampf so erschreckend inhaltslos und gleichzeitig so voller Hass. Offenkundig wollen die Wahlkämpfer beider Lager nicht über die wirklichen Probleme sprechen, die Deutschland zunehmend in einen Zustand der Lähmung versetzen. Probleme, die immer mehr Deutsche in die innere Kündigung schicken. Man möchte offensichtlich nicht darüber reden, was man uns nach den Wahlen zumuten möchte. Wir ahnen nur: uns sollen noch viel schwerere Opfer abverlangt werden als bisher.

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