Ministerpräsident Kemmerich gibt Amt nach AfD Knall ab
Knapp 24 Stunden nach seiner Wahl gibt Thomas Kemmerich (FDP) sein Ministerpräsidenten-Amt von Thüringen ab. Der Aufschrei nach Hilfe der AfD war zu gross.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit Hilfe der AfD wird Thomas Kemmerich von der FDP zum Thüringer Ministerpräsidenten.
- Die Wahl schockiert die politische Landschaft Deutschlands.
- Kemmerich hat nun seinen Rücktritt angekündigt. Auch Parteichef Lindner erwägt diesen.
Die Abgeordneten des Thüringer Landtags können es kaum glauben, als das Ergebnis der Ministerpräsidentenwahl verkündet wird. FDP-Landeschef Thomas Kemmerich setzt sich in einer geheimen Abstimmung gegen den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) durch. Unter anderem dank der Stimmen der AfD von Landeschef Björn Höcke.
Tausende Deutsche gingen deswegen auf die Strasse.
Kurz nach Mittag nun der nächste Knall: Kemmerich will sein Ministerpräsidenten-Amt abgeben. Die FDP-Fraktion Thüringen will einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen.
Kaum 24 Stunden nach seiner Wahl! «Der Rücktritt ist unumgänglich», sagt der FDP-Politiker. Er wolle den Makel der Unterstützung durch die AfD vom Amt des Ministerpräsidenten nehmen, begründete er seine Entscheidung. Den schwarzen Peter schiebt er der Partei gar zu: «Gestern hat die AfD mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen.»
Der Tabubruch von Thüringen. Und der Brief, der zeigt, dass die Wahl Kalkül war. Deutschland hat nicht aus der Geschichte gelernt. Ich schäme mich zutiefst für diese Volksvertreter. pic.twitter.com/1cNknzsPJu
— Hans Sarpei (@HansSarpei) February 6, 2020
Obwohl in den letzten Stunden Hunderte auf Twitter einen Brief geteilt haben, in welcher AfD-Höcke seinen Support schon im November anbot. Weiter sagt Kemmerich: «Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten. Die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht herstellen lassen.»
Auch Parteichef Christian Lindner gerät in Bedrängnis. Wie das Portal «Business Insider» berichtet, habe dieser zwei Tage vor der Wahl grünes Licht für die Hilfe der AfD gegeben.
Nun handelt auch er: FDP-Chef Lindner will die Vertrauensfrage in der Parteiführung stellen. Dazu solle an diesem Freitag der Bundesvorstand zu einer Sondersitzung zusammenkommen.
Blieb Kemmerich kein anderer Ausweg?
Doch der Aufschrei war zu gross und die Alternativen wohl zu wenig erfolgsversprechend.
Etliche Spitzenpolitiker seiner Partei forderten ihn bereits zum Rücktritt auf und befürworteten Neuwahlen. Darunter FDP-Vize Wolfgang Kubicki oder Bundes-Vize Katja Suding. Auch Generalsekretärin Linda Teuteberg bezeichnete Neuwahlen als «das Beste», eine Zusammenarbeit mit der AfD schliesst sie aus.
Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Donnerstag gefordert, dass die Wahl rückgängig gemacht werde. Sie kritisierte die Wahl von Kemmerich als «unverzeihlich».
Keine Zusammenarbeit mit AfD oder Linken möglich
Dabei schaffte die Partei des 54-Jährigen nach fünfjähriger Abwesenheit erst im Herbst wieder den Einzug ins Parlament. Und dies nur mit 73 Stimmen über der Fünf-Prozent-Hürde. Seit dieser Landtagswahl kommt Ramelows Regierungsbündnis aus Linken, SPD und Grünen nur auf 42 Sitze. AfD, CDU und FDP kommen zusammen hingegen auf 48 Sitze.
Obwohl dies für eine Mehrheit ausreicht, hatten CDU und FDP im Vorfeld eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen.
Dies schloss auch Kemmerich nach seiner Wahl aus. Es werde weder eine Koalition noch ein Angebot für eine Zusammenarbeit mit der AfD geben. «Ich bin Anti-AfD, ich bin Anti-Höcke», so Thomas Kemmerich. Das Problem: Auch eine Zusammenarbeit mit der Linken scheint ausgeschlossen.
Doch der neu gewählte Ministerpräsident hätte ein Kabinett aufstellen müssen. Eine erste Möglichkeit wäre ein Bündnis aus CDU, FDP, Grünen und SPD gewesen. Nach der Landtagswahl im Herbst war ein solcher Versuch schon gescheitert. Grüne und Sozialdemokraten wollten lieber mit den Linken weitermachen.
Ein solches Bündnis galt aber als unwahrscheinlich. Denn: Der SPD-Fraktionschef schloss die Zusammenarbeit mit einem Ministerpräsidenten, der mit AfD-Stimmen gewählt wurde, aus. Die Grünen ihrerseits kündigten bereits an, in die Opposition zu gehen.
Wäre ein Bündnis mit einer Minderheitsregierung die Lösung gewesen?
Eine andere Möglichkeit wäre eine Minderheitsregierung aus FDP und CDU gewesen. Mit den fünf FDP-Abgeordneten käme dieses Bündnis auf gerade mal 26 Stimmen.
Doch ohne Zusammenarbeit mit SPD, den Linken oder Grünen käme eine solche Regierung nur mithilfe der AfD auf Mehrheiten.
Das dritte denkbare Szenario wäre eine Vertrauensfrage und allenfalls Neuwahlen nach gescheiterter Vertrauensfrage. Die Vertrauensfrage hat die FDP allerdings sogleich übersprungen und will Neuwahlen anstreben.