Ministerpräsident Kemmerich will Amt nach AfD-Knall abgeben
Ein FDP-Mann wird mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Ganz Deutschland ist ausser sich – nun tritt er wieder zurück.
Das Wichtigste in Kürze
- In Thüringen schafft ein FDP-Kandidat die Wahl zum Ministerpräsidenten dank AfD-Support.
- Die Empörung ist gewaltig: Tausende gehen auf die Strasse.
- Am Donnerstagmittag kündigt Kemmerich seinen Rücktritt an.
Deutschland ist ausser sich! Dank dem Support der rechtspopulistischen AfD schaffte FDP-Politiker Thomas Kemmerich die Wahl zum Ministerpräsidenten Thüringens. Parteien von links bis mitte-rechts sind ausser sich.
Nun der nächste Knall: Die FDP-Fraktion Thüringen will einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen. Das teilte die Fraktion am Donnerstag mit. Der neue FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich will demnach sein Amt aufgeben.
Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte die Wahl von Kemmerich am Donnerstag als «unverzeihlich». Das Ergebnis dieses Vorgangs müsse rückgängig gemacht werden, forderte Merkel am Donnerstag bei einem Besuch in Südafrika. Sie stellte sich damit indirekt hinter Neuwahl-Forderungen.
FDP-Chef Christian Lindner kündigte derweil an, nach Erfurt zu reisen, um mit Kemmerich zu sprechen. Deutsche Medien munkeln bereits, er wolle Kemmerich zum Rücktritt auffordern. Dies ist ihm offenbar gelungen.
Mehrere Spitzen-Politiker der FDP hatten bereits den Rücktritt gefordert.
Sprachloser FDP-Parteichef
Auch die Bevölkerung Deutschlands: Tausende gehen in verschiedenen Städten auf die Strasse. So etwa in Leipzig, Berlin und Dresden. Sie fordern: «Nazis raus!»
Die Titelseiten der deutschen Zeitungen sind vom Coup dominiert. Der «Spiegel» etwa schreibt vom «Tabubruch». In einem Interview findet FDP-Parteichef Christian Lindner kaum Worte dafür. «Die FDP verhandelt und kooperiert nicht mit der AfD.»
Den Tabubruch erklären kann er sich nicht wirklich. «Wer umgekehrt unsere Kandidaten in einer geheimen Wahl unterstützt, das liegt nicht in unserer Hand.»
Klare Worte findet hingegen die deutsche «Bild». Sie nennt die Aktion «erbärmlich!»
FDP-Vize Marie-Agnes Strack-Zimmermann redet im Vergleich zum Parteichef harsch über die Aktion. «Nicht regieren ist in der Tat besser als von Björn Höcke gewählt zu werden, einem Faschisten», empört sie sich in der Zeitung.
Ruhiger berichtet etwa die «Süddeutsche Zeitung». Sie spricht von «Der nächste Versuch in Richtung Bürgerlichkeit» und einem Erfolg für den Flügel von Björn Höcke.
Vor einer Gefahr warnt die «Zeit»: «Das ist nicht mehr die Mitte», schreibt sie heute Morgen. Wer Höcke nutze, um Ramelow zu stürzen, sei selbst eine Gefahr.
Hitler-Vergleiche überschwemmen Twitter
Besagter ist ebenfalls ausser sich. Bodo Ramelow, der bisherige thüringische Ministerpräsident (Linke), hat nach der umstrittenen Wahl ein Zitat von Adolf Hitler auf Twitter veröffentlicht.
Unter seinen Tweet stellte Ramelow zwei Fotos: Das obere zeigt einen Händedruck zwischen Hitler und dem ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Auf dem zweiten ist der FDP-Politiker Thomas Kemmerich beim Händedruck mit Björn Höcke von der AfD zu sehen.
Dieselbe Parallele hatte gestern bereits SP-Nationalrat Cédric Wermuth gezogen.
Neben Hitler-Vergleichen dominiert auf Social Media besonders ein Brief, der von Hunderten geteilt wird.
Der Tabubruch von Thüringen. Und der Brief, der zeigt, dass die Wahl Kalkül war. Deutschland hat nicht aus der Geschichte gelernt. Ich schäme mich zutiefst für diese Volksvertreter. pic.twitter.com/1cNknzsPJu
— Hans Sarpei (@HansSarpei) February 6, 2020
Es handelt sich um ein angebliches Schreiben von AfD-Mann Björn Höcke an den gewählten FDPler Kemmerich. Darin kündete er schon im November die Unterstützung seiner Partei an.
«Deutschland hat nicht aus der Geschichte gelernt. Ich schäme mich zutiefst für diese Volksvertreter», schreibt Ex-Fussballer Hans Sarpei. Satiriker Jan Böhmermann nennt das Schreiben schlicht «braun auf weiss».