Polens politisches Tauziehen: Wer wird der nächste Premier?
Machtkampf in Polen: Präsident Andrzej Duda beauftragt den bisherigen Ministerpräsidenten Morawiecki mit Regierungsbildung, doch die Chancen stehen schlecht.
Der polnische Präsident Andrzej Duda zögert einen möglichen Regierungswechsel in Warschau hinaus. Obwohl ein Oppositionsbündnis sich vor gut drei Wochen bei der Parlamentswahl durchgesetzt hatte, erteilte das Staatsoberhaupt am Montag dem bisherigen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki den Auftrag zur Regierungsbildung. Dessen nationalkonservative PiS war stärkste Kraft bei der Wahl geworden, verfehlte aber die absolute Mehrheit und hat keinen Koalitionspartner.
Vertreter der Opposition kritisierten Dudas Entscheidung am Dienstag und warfen ihm Parteilichkeit vor. Duda zahle damit seine Verbindlichkeiten gegenüber derjenigen Formation zurück, die ihn ins Amt gebracht habe, sagte Wlodzimierz Czarzasty vom Wahlbündnis Lewica im Sender RMF FM.
«Ist das klug? Das bezweifele ich», fügte der 63-Jährige hinzu. Viel ändere sich dadurch nach seiner Ansicht aber nicht. Der Prozess des Machtwechsels werde sich nur um zwei bis drei Wochen verzögern, zeigte er sich zuversichtlich.
Der Präsident hatte seinen Schritt am Montagabend damit begründet, es sei üblich, den Vertreter der stärksten Fraktion mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Morawieckis Aussichten auf Erfolg gelten als gering, ihm fehlen die Koalitionspartner. Sollte er dennoch vereidigt, ihm aber nicht das Vertrauen ausgesprochen werden, wäre das Parlament am Zug, einen Ministerpräsidenten zu bestimmen.
Bei der Parlamentswahl Mitte Oktober hatte die Bürgerkoalition (KO) von Ex-Ministerpräsident Donald Tusk gemeinsam mit dem konservativen Dritten Weg und der linken Wahlallianz Lewica eine deutliche Mehrheit der Sitze errungen.
PiS-Vizechef Marek Suski hingegen lobte Dudas Schritt im Sender TVP als eine «salomonische Entscheidung».
Dudas Bürochef glaubt an Morawiecki
Dudas Bürochef Marcin Mastalerek sagte der Agentur PAP zufolge, er sei überzeugt, dass Morawiecki ein «entschlossener Mann» sei, der viel für die Bildung einer neuen Regierung unternehmen werde. Er könne versuchen, Teile des Dritten Weges wie die Polnische Bauernpartei (PSL) auf seine Seite zu ziehen und ihnen dabei sogar den Posten des Ministerpräsidenten anbieten.
Es sei «schade um die Zeit, schade um Polen», hiess es indes in einem Kommentar der Zeitung «Rzeczpospolita». Duda habe einmal mehr bewiesen, dass er sich seinem politischen Umfeld nicht widersetzen könne. Er werde als «Marionette» des PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski in die Geschichte eingehen, nicht als eigenständiger Politiker.
Morawieckis Versuch einer Regierungsbildung sei zum Scheitern verurteilt, urteilte «Rzeczpospolita» aus Warschau. Der nationalkonservative Präsident Duda gilt als PiS-treu, ist aber seit seinem Amtsantritt 2015 offiziell kein Parteimitglied mehr.
Die Abgeordnete Katarzyna Lubnauer von Tusks Wahlbündnis sagte dem Nachrichtenportal «Wirtualna Polska», Polen könne kein Interesse daran haben, die «Agonie dieser Regierung» zu verlängern. Ohne eine Mehrheit könne man keine Entscheidungen für die Zukunft des Landes fällen.
Tusk verpsricht Wiederherstellung des Rechtsstaats
Das neue Parlament wird erst am 13. November zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Die PiS kommt auf 194 Sitze. Die KO erzielte 157, die Partei Dritter Weg 65 und die Neue Linke 26 Mandate – zusammen wären das 248.
Tusk zeigte sich am Montagabend in Wroclaw (Breslau) zuversichtlich, dass es noch vor Weihnachten eine neue Regierung voraussichtlich unter seiner Führung geben werde. Duda wisse, dass er nur auf Zeit spielen könne.
Tusk versprach vor seinen Anhängern zudem die Wiederherstellung des Rechtsstaats und eine «grosse Rückkehr» Polens nach Europa. In der PiS-Ära hatte die EU-Kommission mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet, unter anderem wegen umstrittener Justizreformen und mutmasslicher Eingriffe in den demokratischen Prozess.
In Brüssel hoffen viele mit einem Regierungswechsel auf ein Tauwetter in den Beziehungen zu dem östlichen Mitgliedstaat.