Politische Krise in Nordirland: Neuwahl soll Patt lösen
In Nordirland scheiterte die Regierungsbildung, was nun wiederum für Neuwahlen sorgt. Es wäre die zweite Wahl in diesem Jahr.
Das Wichtigste in Kürze
- Die politische Situation in Nordirland verschärft sich weiter.
- Auch nach Ablauf der Frist zur Regierungsbildung wurden sich die Nordiren nicht einig.
- Nun steht eine mögliche Fernregierung von London her zur Debatte.
In Nordirland verschärft sich nach Ablauf einer Frist zur Regierungsbildung die politische Krise. Die beiden wichtigsten Parteien konnten sich bis Freitag nicht in der vorgegebenen Zeit auf eine Einheitsregierung einigen. Daher steuert die britische Provinz nun auf die zweite Wahl innerhalb eines Jahres zu.
Die britische Zentralregierung dürfte noch an diesem Freitag eine baldige Neuwahl ankündigen. Als möglicher Termin gilt der 15. Dezember.
Doch Experten sind überzeugt, dass auch die nächste Abstimmung nicht zu einer Lösung führen wird. Vielmehr wird in Belfast erwartet, dass sich die Fronten verhärten. Der früheren Bürgerkriegsprovinz droht ein Teufelskreis. Im kleinsten Landesteil des Vereinigten Königreichs geht es um Religion, Demografie und die Rolle zwischen Grossbritannien und Irland.
Konfessionen immer noch Teil des Konflikts
Auslöser für das Patt ist die Weigerung der protestantischen Partei DUP, in eine Regierung mit der katholischen Sinn Fein einzutreten. Dies erhielt jedoch bei der Wahl im Mai die meisten Stimmen. Eine solche Einheitsregierung beider Lager ist durch das Karfreitagsabkommen von 1998 vorgeschrieben. Dieses hat damals den Bürgerkrieg beendet hatte.
Zuvor hatten sich Katholiken und Protestanten – meistens Anhänger der Union mit Grossbritannien – jahrzehntelang bekämpft. Die Katholiken stehen für eine Wiedervereinigung mit Irland ein.
Auch knapp 25 Jahre nach dem Friedensschluss verlaufen die politischen Fronten entlang konfessioneller Grenzen. Dass in der einst protestantisch dominierten Provinz mittlerweile mehr Katholiken leben, macht die Lage noch diffiziler. Nun fürchten Unionisten wie die DUP, dass die Demografie eine Abspaltung von Grossbritannien und eine Vereinigung mit Irland fördert.
Als Bedingung für ihren Einstieg in die Regierung fordert die DUP, dass Sonderregeln für Nordirland gekippt werden. Auf diese hatte sich London und Brüssel im Zuge des Brexits geeinigt. Mit der Regelung soll eine harte Grenze zum EU-Mitglied Irland vermieden werden. Doch damit ist zugleich eine Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs entstanden, samt Problemen im Handel.
Das Nordirland-Protokoll muss beendet werden
Dass alle anderen Parteien in Nordirland, aber auch die Regierung von Nachbarland Irland und mittlerweile selbst die britische Zentralregierung sie zum Einlenken auffordern, ficht die DUP nicht an. Es sei Wille seiner Wähler, das sogenannte Nordirland-Protokoll zu beerdigen, sagte Parteichef Jeffrey Donaldson.
Kritiker werfen der DUP vor, die Provinz in Geiselhaft zu nehmen. «Die öffentlichen Haushalte zur Unterstützung der Bevölkerung sind eingefroren, weil die DUP die lokale Regierung blockiert». Dies sagte die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im Europaparlament.
Hat Nordirland bald schon keine lokale Exekutive mehr?
Erschwerend hinzu kommt, dass London das international bindende Nordirland-Protokoll am liebsten aufheben würde. Auch die EU hat eingeräumt, dass die Regelung, die eine Umgehung der EU-Zollgrenze verhindern soll, zu Schwierigkeiten im Alltag geführt hat. So können manche Lebensmittel nicht mehr zollfrei von Grossbritannien nach Nordirland exportiert werden.
Doch bei einer Lösung sind Grossbritannien und die EU noch weit auseinander. Dass im britischen Parlament ein Gesetz vorliegt, mit dem London das Abkommen einseitig kündigen könnte, macht die Sache nicht besser.
Manche Experten weisen bereits auf einen letzten Ausweg hin. Rechtlich gesehen könnte Nordirland direkt aus London regiert werden, ohne eine lokale Exekutive zu bilden. Doch ein solcher Schritt riskiert neue Spannungen und womöglich neue Gewalt: Für die Nationalisten käme dies einer feindlichen Übernahme gleich.