Politologe rät Europa zu gemeinsamen Atomwaffen
Ein Politologe rät Europa zu gemeinsamen Atomwaffen, da eine weltweite nukleare Abrüstung unrealistisch scheine. Die Schutzmacht USA könnte sich abwenden.
Das Wichtigste in Kürze
- Europa sollte laut einem Politologen ein gemeinsames Atomwaffenarsenal aufbauen.
- Der Koffer mit dem roten Knopf würden zwischen den Staaten zirkulieren.
- Andere Experten halten dies für unrealistisch, Deutschland solle alleine aufrüsten.
Weltweit gibt es – vor allem vom Westen vorangetrieben – Bemühungen um eine nukleare Abrüstung. Dass Atommächte ihr Nukleararsenal verkleinern oder gar abgeben, hält der deutsche Politologe Herfried Münkler für unrealistisch. Dafür hat er einen anderen Vorschlag: ein gemeinsames Atomwaffenarsenal von mehreren europäischen Staaten.
Eine internationale Abrüstung scheitert laut Münkler vor allem an Russland: Das Land verlöre ohne Atomwaffen seine weltpolitische Bedeutung, sagt er der «Zeit». Er vermutet, dass in Zukunft weitere Länder über Nuklearwaffen verfügen werden. Als Beispiele nennt er den Iran, Saudi-Arabien und die Türkei.
In Europa verfügen Frankreich und Grossbritannien über vergleichsweise kleine Atomarsenale. Doch ob das für den Schutz des Kontinents reicht, zieht der Politologe in Zweifel. Die baltischen Staaten und Polen bezweifelten, dass sie sich bei einer nuklearen Erpressung Russlands auf London und Paris verlassen könnten. Zudem sei es möglich, dass sich die USA als Schutzmacht in Zukunft von Europa abwenden könnten.
Deshalb rät Münkler zu einer «europäischen Atombombe»: Es wäre ein «entscheidender Schritt hin zu einer strategischen Autonomie und zu einer eigenen Abschreckungskraft». Diese sollte «schleunigst» aufgebaut werden.
Konkret sollten Frankreich, Deutschland, Polen, Italien und Spanien über Atomwaffen in gemeinsamer Entscheidungsgewalt verfügen. «Der Koffer mit dem roten Knopf zirkuliert zwischen den Staaten.»
Dieses Modell hält aber Markus Kaim von der «Stiftung Wissenschaft und Politik» für unrealistisch, wie er im «Spiegel» schreibt. Im Ernstfall bliebe unklar, welches Land konkret über den Atomwaffen-Einsatz entscheiden dürfe. Für Berlin sei es «nicht akzeptabel», für Nuklearwaffen mitzubezahlen, aber keinerlei Einfluss auf ihren Einsatz zu haben.
Deutsche atomare Aufrüstung ist eine von drei Optionen
Auch dass die Europäische Union als Institution eine Atommacht wird, hält Kaim für nicht machbar. Wegen «politischer und rechtlicher Hürden» sei dies kurzfristig nicht möglich.
Seine Idee ist es, Frankreichs Atomwaffen innerhalb Europas aufzuteilen. Dadurch würden französische Nuklearwaffen in anderen Ländern stationiert. Als Vorbild gelten hier die USA, die Teile ihres Arsenals beispielsweise in Deutschland haben. Doch Emmanuel Macron hat einem solchen Konzept bereits eine Absage erteilt.
Laut Kaim gibt es für Berlin deshalb drei Optionen: Man könne einen möglichen ausbleibenden Schutz der USA hinnehmen, oder sich anderen grossen Atommächte, beispielsweise China oder Russland, annähern. Oder – und das wäre ein grosser Bruch mit der Aussenpolitik – Deutschland könnte selbst zur Atommacht werden.