Prognosen: Radikale Rechte gewinnt Parlamentswahl in Italien
Nach dem starken Abschneiden der ultrarechten Fratelli d'Italia in Italien hat Parteichefin Giorgia Meloni Anspruch auf die Bildung der Regierung erhoben.
Das Wichtigste in Kürze
- Laut Prognosen hat in Italien die radikale Rechte die Wahlen gewonnen.
- Giorgia Meloni könnte somit die erste Ministerpräsidentin Italiens werden.
- Die Wahlbeteiligung war rekordverdächtig tief.
Nach der Parlamentswahl in Italien sieht die Chefin der rechtsradikalen Fratelli d'Italia, Giorgia Meloni, den Regierungsauftrag beim rechten Lager unter Führung ihrer Partei. Auf Grundlage der ersten Hochrechnungen lasse sich sagen, dass die Italiener an den Wahlurnen ein klares Zeichen gesendet hätten, sagte Meloni am frühen Montagmorgen in Rom. Sie sprach von einer «Nacht des Stolzes» und einer «Nacht der Erlösung». Zu ihren Anhängern sagte sie, man sei nicht am Ort der Ankunft, sondern am Ort des Aufbruchs.
«Die Italiener haben eine klare Botschaft zugunsten einer rechten Regierung unter Führung von Fratelli d'Italia ausgesendet», sagte Meloni in der Nacht zu Journalisten in Rom. «Wir werden für alle regieren», fügte sie hinzu. Prognosen zufolge erhielt die FDI rund ein Viertel aller Stimmen und wird damit stärkste Kraft. Zusammen mit ihren Bündnispartnern, der rechtsnationalen Lega und der Forza Italia (FI), könnte sie auf bis zu 47 Prozent der Stimmen kommen. Offizielle Ergebnisse gibt das Innenministerium am Montag bekannt.
Meloni könnte somit erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung werden. Aufgrund des komplizierten Wahlsystems dürfte das Bündnis aus Melonis FDI, der Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini und der konservativen Forza Italia des langjährigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in beiden Parlamentskammern eine absolute Mehrheit der Sitze erhalten - im Abgeordnetenhaus und im Senat.
Sozialdemokraten räumen Wahlniederlage ein
Die italienischen Sozialdemokraten haben ihre Niederlage bei der Parlamentswahl eingestanden und wollen in die Opposition gehen. Das sagte Debora Serracchiani, die Fraktionschefin des Partito Democratico (PD) im Abgeordnetenhaus, in der Nacht auf Montag.
Mit einem Mitte-Links-Bündnis war die bisherige Regierungspartei vom Rechtsblock unter Giorgia Meloni und ihren rechtsradikalen Fratelli d'Italia deutlich abgehängt worden. «Das ist ein trauriger Tag für unser Land», sagte Serracchiani. Ihre Partei habe nun eine «grosse Verantwortung, und der müssen wir im Parlament gerecht werden».
Laut ersten Hochrechnungen kommt der PD auf rund 20 Prozent der Stimmen. Das wäre etwas mehr als bei der Wahl 2018. Die rechten Fratelli konnten ihr Ergebnis dagegen in etwa versechsfachen, wie die vorläufigen Zahlen nahelegten.
Sollten sich die Zahlen bestätigen, bekämen FDI und Lega zusammen «die höchste Prozentzahl an Stimmen, die je von rechtsextremen Parteien in der westeuropäischen Geschichte zwischen 1945 und heute erreicht wurde», erklärte das Italienische Zentrum für Wahlforschung.
Die Wahlbeteiligung betrug 64,07 Prozent und lag damit deutlich unter der von 2018 mit 73,86 Prozent. Offizielle Ergebnisse gibt das Innenministerium am Montag bekannt.
EU-Abgeordnete besorgt über Wahlsieg Melonis
In Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten sorgen sich viele vor einer Regierung mit den Fratelli und Meloni an der Spitze. Die «Brüder Italien» sind Nachfolger einer von Faschisten gegründeten Partei. Meloni hat den Faschismus ausserdem nie gänzlich verurteilt. Daneben äussert sich die Parteichefin immer wieder kritisch zur EU und lehnt progressive Rechte wie jener zur Adoption für homosexuelle Partner ab.
Bereits haben mehrere EU-Abgeordnete von einer Regierung unter Meloni gewarnt. So meinte etwa Katharina Barley (SPD), Vize-Präsidentin des EU-Parlaments gegenüber der «Welt»: Giorgia Meloni wird eine Ministerpräsidentin sein, deren politische Vorbilder Viktor Orbán und Donald Trump heissen. Der Wahlsieg des Bündnisses von Rechts-Mitte-Parteien in Italien ist deshalb besorgniserregend.»
Der Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament, Rasmus Andresen, sagte, der «beispiellose italienische Rechtsrutsch» werde massive Auswirkungen auf Europa und auf die Europäische Union haben. «Italien als Gründungsmitglied und drittstärkste Wirtschaft der EU steuert auf eine antidemokratische und antieuropäische Regierung zu», sagte Andresen einer Mitteilung zufolge.
Rechte europäische Politiker beglückwünschen Meloni
Während sich die EU-Abgeordneten sorgen, freuen sich Europas rechte Politiker mit Giorgia Meloni und ihrer Partei. Politiker der deutschen AfD, des rechtsnationalen Rassemblement National aus Frankreich und der polnischen PiS haben Giorgia Meloni zum Wahlsieg in Italien gratuliert.
«Wir jubeln mit Italien!», schrieb die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch am späten Sonntagabend bei Twitter. Ihr Parteikollege Malte Kaufmann twitterte: «Ein guter Tag für Italien - ein guter Tag für Europa.» Mit Verweis auf die jüngsten Wahlen in Schweden, bei denen ebenfalls die Rechte erfolgreich war, schrieb von Storch: «Schweden im Norden, Italien im Süden: Linke Regierungen sind so was von von gestern.»
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schrieb auf Twitter «Glückwunsch @Giogia Meloni». Der französische Europaabgeordnete Jordan Bardella von Marine Le Pens Rassemblement National (RN) schrieb bei Twitter, dass die Italiener der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen «eine Lektion in Demut» erteilt hätten.
Die deutsche Politikerin hatte vorige Woche gesagt, dass ihre Behörde «Werkzeuge» habe, sollte Italien unter einer rechten Regierung die EU-Regeln nicht beachten. «Keine Bedrohung jeglicher Art kann die Demokratie aufhalten», schrieb der Parteivorsitzende von RN. «Die Völker Europas erheben ihre Häupter und nehmen ihr Schicksal wieder in die Hand.»