Ukraine Krieg: Russland verschärft Strafen für Fahnenflucht
Das Wichtigste in Kürze
- Erst am Mittwoch hat Putin die Teilmobilmachung in Russland angekündigt.
- Wie die Behörden bestätigen, verlassen viele Menschen das Land.
- Nun erhöht der russische Präsident die Strafen für Fahnenflucht und Kapitulation.
Wenige Tage nach der angekündigten Teilmobilmachung hat Russland die Strafen für Deserteure verschärft.
Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am Samstag eine Gesetzesänderung, die zu Zeiten einer Mobilmachung bis zu zehn Jahre Haft für Soldaten vorsieht, die desertieren oder vor dem Feind kapitulieren. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj appellierte unterdessen an die russischen Soldaten, sich zu ergeben. Putin schicke sie wissentlich «in ihren Tod».
Putin hatte am Mittwoch eine Teilmobilmachung zur Einberufung von 300'000 Reservisten angekündigt. Die Entscheidung löste in Russland landesweite Proteste aus. «Wir sind kein Kanonenfutter», rief am Samstag eine junge Frau in Moskau, die von Polizisten abgeführt wurde. Insgesamt wurden in 32 Städten mehr als 700 Menschen festgenommen, wie die Organisation OWD-Info mitteilte, die Festnahmen in Russland dokumentiert. Am Mittwoch hatte es sogar fast 1400 Festnahmen gegeben.
Die Teilmobilmachung hat auch zu einem Exodus aus Russland geführt. An Grenzübergängen zu Nachbarländern wie Georgien, Kasachstan und der Mongolei bildeten sich lange Autoschlangen, Augenzeugen berichteten von stundenlangen Wartezeiten. Die meisten Direktflüge in Länder ohne Visumsanforderungen für Russen sind bereits ausverkauft, auch die Ticketpreise sind enorm gestiegen.
Russland verzeichnet Zunahme an Ausreisen
Am Samstag bestätigten die russischen Behörden erstmals eine Zunahme an Ausreisen. «Es gibt einen erheblichen Andrang privater Fahrzeuge», erklärte das Innenministerium der Grenzregion Nordossetien. «Um die 2300» Fahrzeuge warteten darauf, die Grenze nach Georgien zu passieren. Am Donnerstag hatte der Kreml Berichte über eine Flucht wehrfähiger Russen noch als «falsch» zurückgewiesen.
Selenskyj wandte sich in seiner abendlichen Videobotschaft am Samstag auf Russisch an die russischen Soldaten. Es sei «besser, einen Einberufungsbefehl zurückzuweisen als in einem kriminellen Krieg in einem anderen Land zu sterben», sagte der ukrainische Präsident. Es sei auch «besser, vor einer kriminellen Mobilmachung wegzulaufen, als ein Krüppel zu werden und dann für die Teilnahme an einem Angriffskrieg vor Gericht zur Rechenschaft gezogen zu werden».
Das russische Verteidigungsministerium gab unterdessen die Ablösung des bisherigen Vize-Verteidigungsministers Dmitri Bulgakow bekannt. Sein Nachfolger soll der General Michail Misinzew werden, der damit künftig «für die materielle und technische Versorgung der Streitkräfte» zuständig ist. Zuletzt hatte Moskaus Militäreinsatz in der Ukraine weitreichende logistische Probleme offenbart. Bei einer Gegenoffensive im Nordosten und Süden der Ukraine konnte Kiew zudem grosse Gebiete zurückerobern.
Ukraine verzeichnet Geländegewinne
Offenbar als Reaktion auf die ukrainischen Geländegewinne hatten in vier besetzten Gebieten in der Ukraine am Freitag sogenannte Referenden zur Annexion durch Russland begonnen. Die Abstimmungen in den Separatistengebieten Donezk und Luhansk sowie in den südukrainischen Regionen Cherson und Saporischschja wurden trotz internationaler Proteste am Wochenende fortgesetzt. Nach Angaben der ukrainischen Armee gingen Wahlhelfer in Begleitung russischer Soldaten von Tür zu Tür, um Stimmen einzusammeln.
Kiew und seine westlichen Verbündeten kritisieren die Abstimmungen als Scheinreferenden und warnen vor einem völkerrechtswidrigen Anschluss der vier ukrainischen Regionen an Russland. Befürchtet wird auch eine weitere militärische Eskalation, weil ukrainische Angriffe auf diese Regionen von Moskau nach einer Annexion als Angriff auf sein Staatsgebiet gewertet werden könnten. Kreml-Chef Putin hat für diesen Fall bereits mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht.
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow warf den westlichen Staaten am Samstag bei der UN-Generaldebatte in New York eine «groteske» Angst vor Russland vor. «Die offizielle Russophobie im Westen ist beispiellos, das Ausmass ist grotesk», sagte Lawrow in einer Rede. Der Westen habe nicht nur vor, Russland «eine militärische Niederlage» zuzufügen, sondern es «zu zerstören und zu zerstückeln».