Spanien steht vor erster Koalitionsregierung
Morgen Sonntag stimmt das spanische Parlament über die Wahl Pedro Sánchez' zum Regierungschef ab. Der Sozialist darf sich nun wieder Hoffnung machen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die grösste katalanische Separatistenpartei hat Sánchez ihre Unterstützung bestätigt.
- Zuvor hatte der Deal plötzlich wieder auf der Kippe gestanden.
- Am Sonntag findet das erste Votum statt, es wird wohl eine zweite Abstimmung brauchen.
Kurz vor den Abstimmungen über die Wahl des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez zum Regierungschef darf sich der Sozialist wieder Hoffnung machen. Die grösste katalanische Separatistenpartei ERC hat ihm heute Samstag ihre Unterstützung bestätigt und will sich enthalten.
Zuvor hatte der Deal plötzlich wieder auf der Kippe gestanden. Zwar wird Sánchez am Sonntag beim ersten Votum, bei dem eine absolute Mehrheit von 176 Stimmen nötig ist, aller Voraussicht nach scheitern. Eine zweite Abstimmung fände am Dienstag statt. Doch dann reicht eine einfache Mehrheit, die Sánchez nun wohl bekommen wird.
PSOE verpasste absolute Mehrheit
Sánchez' Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) hatte die Neuwahl am 10. November – wie bereits die erste Neuwahl Ende April – deutlich gewonnen, die absolute Mehrheit aber klar verfehlt.
Nach einer Vereinbarung mit dem linken Bündnis Unidas Podemos fehlten ihm aber immer noch Stimmen, um sich im Parlament durchzusetzen. Nach zähen Verhandlungen hatte die katalanische ERC am Donnerstag schliesslich zugestimmt, den Weg frei zu machen.
Langes Hin und Her
Am Freitagabend hatte dann aber die spanische Wahlkommission (JEC) überraschend die Absetzung des katalanischen Regionalchefs Quim Torra beschlossen, sodass Sánchez' Investitur plötzlich wieder gefährdet zu sein schien.
Trotz ihrer Wut über die Absetzung Torras entschied die ERC-Parteispitze aber am Samstag – während der teils lautstarken Debatte über die Wahl von Sánchez im Parlament in Madrid – den Sozialisten doch weiter zu unterstützen.
Die Wahlkommission war einem Antrag der konservativen Oppositionsparteien gefolgt, die eine Regierungsbildung von Sánchez unbedingt verhindern wollen.
Torra wird Ungehorsam vorgeworfen, weil er sich vor der ersten Parlamentsneuwahl im April geweigert hatte, Symbole der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung von öffentlichen Gebäuden zu entfernen.
Separatistenführer darf Mandat als Europaabgeordneter nicht aufnehmen
Zudem hatte die Kommission beschlossen, dass der wegen Aufruhrs zu 13 Jahren Haft verurteilte katalanische Separatistenführer Oriol Junqueras sein Mandat als Europaabgeordneter nicht aufnehmen darf. Junqueras war im Mai trotz seiner damaligen Untersuchungshaft ins Europaparlament gewählt worden.
Die JEC widersprach somit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der Mitte Dezember entschieden hatte, dass die parlamentarische Immunität von Europaabgeordneten greife, sobald das Wahlergebnis verkündet sei.
«Sánchez ins Gefängnis!»
Die Opposition wirft Sánchez vor, durch die Vereinbarung mit den separatistischen Politikern die Verfassung zu untergraben. Was genau Sánchez den Katalanen zugesichert hat, ist nicht klar. Der Konflikt zwischen dem Zentralstaat und der separatistischen Regierung der Region im Nordosten Spaniens brodelt seit Jahren.
Jedoch betonte Sánchez am Samstag bei der Parlamentsdebatte, durch seine Wahl würden «weder Spanien noch die Verfassung zerstört, sondern wird lediglich die politische Blockade gelöst».
Vor dem Congreso de los Diputados versammelten sich am Mittag zahlreiche Demonstranten, die gegen ihn protestierten. Sie riefen «Sánchez ins Gefängnis!» und «Spanien verdient einen anderen Regierungschef!»