Streit über Finanzpaket – EU-Gipfel noch immer uneinig
Der Streit um das milliardenschwere Konjunkturpaket im Kampf gegen die Corona-Krise geht in eine dritte Runde. Eine Lösung ist bisher nicht in Sicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Die EU ist sich über das milliardenschwere Corona-Finanzpaket uneinig.
- Während dem zweitägigen EU-Gipfel wurde keine Lösung gefunden.
- Bundeskanzlerin Angela Merkel schliesst einen Misserfolg nicht aus.
Der Streit über das Milliarden-Finanzpaket im Kampf gegen die Corona-Krise hat den EU-Gipfel am Sonntag fast zum Scheitern gebracht. Bundeskanzlerin Angela Merkel schloss auch zu Beginn des dritten Verhandlungstages einen Misserfolg nicht aus.
«Ob es zu einer Lösung kommt, kann ich nach wie vor nicht sagen», sagte die CDU-Politikerin in Brüssel. Der französische Präsident Emmanuel Macron äusserte sich ähnlich, drang aber wie Merkel auf einen Durchbruch. Unterhändler schätzten die Chance auf 50 Prozent.
Die Vorgespräche dauerten an, hiess es von Diplomaten. Es würden zunächst in kleiner Runde mögliche Kompromisslinien getestet. Die Gespräche seien schwierig, hiess es aus der französischen Delegation.
Keine Einigung in Sicht
Eigentlich sollte der am Freitag begonnene Gipfel nur zwei Tage dauern. Bis Samstagabend gelang jedoch keine Einigung auf das Haushalts- und Krisenpaket. Es besteht aus einem schuldenfinanzierten Konjunktur- und Investitionsprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro. Hinzu kommt der neue siebenjährige EU-Haushaltsrahmen von mehr als 1000 Milliarden Euro.
Grösster Knackpunkt war nach Angaben aus Verhandlungskreisen die Frage, wie viel aus dem 750-Milliarden-Programm als Zuschüsse vergeben werden sollen. Das heisst, die von Krisenstaaten nicht zurückgezahlt werden müssen.
Die sogenannten Sparsamen Vier - Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande - haben grundsätzliche Bedenken. Sie wollen, wenn überhaupt, nur eine kleine Summe, strikte Bedingungen und scharfe Kontrollen, wie das Geld verwendet wird. Sie wollen Länder wie Italien und Spanien zu schnelleren Reformen bewegen.
Die «Sparsamen Vier»
Eingeplant waren zunächst 500 Milliarden Euro Zuschüsse, am Samstag hatte Ratschef Charles Michel dann 450 Milliarden vorgeschlagen. Die «Sparsamen Vier» wollen deutlich weniger. Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Macron wollen nach Angaben von Diplomaten aber nicht unter eine Summe von 400 Milliarden Euro gehen.
Sie verweisen auf die beispiellose Grössenordnung der Rezession durch die Corona-Pandemie. Besonders in hart getroffenen Staaten wie Italien und Spanien ist der Hilfsbedarf gross.
Macron sagte am Sonntag, eine Lösung sei immer noch möglich, aber: «Ich sage es ganz klar, das wird nicht auf Kosten der europäischen Ambition gehen.» Auch der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis betonte, der Ehrgeiz dürfe nicht verloren gehen. Die EU könne es sich nicht leisten, gespalten oder schwach dazustehen.
Bundeskanzlerin Merkel sagte: «Es gibt viel guten Willen. Aber es gibt auch viele Positionen. Und so werde ich mich mit dafür einsetzen. Aber es kann auch sein, dass es heute zu keinem Ergebnis kommt.»
Der dritte Gipfeltag sei sicherlich der entscheidende Verhandlungstag, hob Merkel hervor. «Die Themen - die Grösse des Fonds, die Art der Steuerung und die Fragen der Rechtsstaatlichkeit sind jetzt aufgearbeitet.»
Vermittlungsversuch von Merkel
Ein Vermittlungsversuch von Merkel und Macron mit den «Sparsamen Vier» und Finnland war ohne greifbaren Erfolg geblieben. Nach mehreren Bemühungen, einen Kompromiss zu erzielen, hätten Merkel und Macron das Treffen gemeinsam verlassen. Dies hiess es aus der französischen Delegation.
Danach war die Stimmung nach Angaben aus Verhandlungskreisen getrübt. Die «Sparsamen Vier» hätten etliche Zugeständnisse erreicht, wollten aber immer noch mehr, hiess es. Neben dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte profiliere sich der österreichische Kanzler Sebastian Kurz mit Härte.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ging Rutte hart an. Er sagte am Sonntag, er verstehe nicht, warum der Niederländer die übrigen EU-Staaten attackiere. Orban steht seinerseits jedoch bei einem anderen Streitthema als Blockierer da: Zusammen mit Polen lehnt er eine Koppelung von EU-Geldern an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit ab, die andere EU-Staaten durchsetzen wollen.
Merkel kommt in den Verhandlungen eine Vermittlerrolle zu, denn Deutschland führt seit dem 1. Juli den Vorsitz der 27 EU-Länder.