Ukraine Krieg: Putsch gegen Putin gemäss Whistleblowerin möglich
Der Widerstand gegen Wladimir Putin und seinen Ukraine-Krieg wächst, die Gefahr eines Militärputsches ist hoch. Tschetschenen-Truppen sollen das verhindern.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Widerstand gegen Putin wächst, es habe sich Partisanengruppen gebildet.
- Laut einer Whistleblowerin ist ein Militärputsch jederzeit möglich.
- Putin setzt auf Wagner- und Tschetschenen-Truppen, um dies zu verhindern.
«Die russische Armee gibt es schon nicht mehr.» Es ist eine Aussage, die von Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht erstaunen würde. Doch sie stammt von Maria Dmitrieva, die noch bis im Juli im Machtapparat Russlands gearbeitet hat. Dann aber flüchtete sie nach Frankreich und gibt nun dem Tagesspiegel Auskunft.
Die Whistleblowerin berichtet von Machtkämpfen im Geheimdienst und im Militär. Putin fürchte, dass sich frühere Soldaten gegen den Krieg stellen könnten. Auch vor einem Militärputsch habe der Kremlchef Angst. Denn die Militärs erhielten keinen Lohn, das Geld setze Putin für anderes ein.
Um die Gefahr von Sabotageakten oder einem Putsch zu reduzieren, bekämen die Einberufenen lange keine Waffen. «Die Unzufriedenheit wächst, ein Putsch ist jederzeit möglich», weiss die gut vernetzte Whistleblowerin. Es könne jeden Tag passieren. Und dass Putin Angst davor habe, das wisse praktisch jeder.
Doch der Kremlchef hat Massnahmen ergriffen, um dies zu verhindern: Er vertraut auf die Wagner-Gruppe von Jewgeni Prigoschin und die Truppen von Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow. Mitte Oktober habe sich Putin mit seinen beiden Freunden getroffen. Dabei habe er ihnen den Auftrag gegeben, Unruhen und Proteste gegen die Mobilmachung niederzuschlagen. Dafür erhalten sie das Geld, das eigentlich für Lohn und Ausrüstung für die Soldaten gedacht ist.
Ausserhalb der Grossstädte herrsche grosse Unzufriedenheit wegen des Ukraine-Kriegs und der Mobilmachung, weiss Dmitrieva. «Es haben sich Partisanengruppen gebildet. Deshalb sehen wir jeden Tag Sabotageakte und Angriffe auf die Mobilisierungszentren.» Es sei unmöglich, dies alles einzudämmen.
Whistleblowerin: Russland setzte chemischen Kampfstoff im Ukraine-Krieg ein
Maria Dmitrieva berichtet auch, dass Russland im Ukraine-Krieg chemische Kampfstoffe eingesetzt habe. Der Lungenkampfstoff Chlorpikrin sei mit einer Drohne über Cherson abgeworfen worden. Dieser kann schwere Verletzungen verursachen oder gar zum Tod führen. Es habe aber keine Schwerverletzten gegeben, die ukrainischen Ärzte hätten sehr gut gearbeitet.
Die Angaben, die Russland zu den Zahlen der Verletzten und Toten im Ukraine-Krieg macht, seien viel tiefer als in Wahrheit. «Es ist ein offenes Geheimnis beim Geheimdienst, dass die Zahlen gefälscht werden», so Dmitrieva.
Die Whistleblowerin war von 1016 bis 2020 in einer Klinik des russischen Innenministeriums tätig. Anschliessend wechselte sie ins Verteidigungsministerium, bevor sie ab Februar 2022 in einem Spital des Inlandgeheimdienstes arbeitete. Aktuell ist sie in Frankreich, wo sie auf politisches Asyl hofft.