Tschernobyl

Ukraine: Russland hat ehemaliges AKW Tschernobyl erobert

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Russland,

Die Ukraine ist im Kriegszustand. Das Land meldet Angriffe von allen Seiten, die Hauptstadt Kiew löste Luftalarm aus. Immer mehr Gebiete geraten unter russische Kontrolle.

Bewaffnete Männer ohne erkennbares Nationalitätenabzeichen in der Stadt Armjansk auf der Krim. Foto: Konstantin Mihalchevskiy/Sputnik/dpa
Bewaffnete Männer ohne erkennbares Nationalitätenabzeichen in der Stadt Armjansk auf der Krim. Foto: Konstantin Mihalchevskiy/Sputnik/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Russland hat nach ukrainischen Angaben das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl erobert.

«Leider muss ich mitteilen, dass die Zone um Tschernobyl, die sogenannte Sperrzone, und alle Anlagen des Atomkraftwerks Tschernobyl unter der Kontrolle bewaffneter russischer Gruppen sind», sagte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal am Donnerstag mach Angaben der Agentur Unian. Die ukrainische Hauptstadt Kiew liegt nur knapp 70 Kilometer entfernt.

«Nach schwerem Kampf wurde die Kontrolle über Tschernobyl verloren», sagte ein ukrainischer Präsidentenberater. Es sei unklar, in welchem Zustand die Anlage sei. «Dies stellt heute eine der ernsthaftesten Bedrohungen für Europa dar.» Er warnt vor Provokationen der russischen Seite. Zuvor hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj berichtet, es gebe Gefechte in der Region. Von russischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte davor gewarnt, dass in der Ukraine angeblich Atomwaffen hergestellt werden könnten. «Wir wissen, dass es bereits Berichte gab, die Ukraine wolle ihre eigenen Atomwaffen herstellen. Das ist keine leere Prahlerei», sagte der Kremlchef etwa am vergangenen Montag in einer Fernsehansprache. «Die Ukraine verfügt tatsächlich immer noch über sowjetische Nukleartechnologien und Trägersysteme für solche Waffen.»

Pentagon: Russland will Regierung entmachten

Die US-Regierung geht davon aus, dass Russland im Zuge seines Angriffs auf die Ukraine die Regierung in Kiew stürzen will. «Wir gehen davon aus, dass (die russischen Streitkräfte) die Absicht haben, die Regierung zu entmachten und ihre eigene Regierungsform zu installieren, was diese ersten Schritte in Richtung Kiew erklären würde», sagte ein führender Vertreter des US-Verteidigungsministeriums nach einer Mitschrift des Pentagons. Das ukrainische Militär leiste Widerstand gegen die russischen Soldaten, hiess es weiter.

Es gebe unter anderem Kämpfe im Umkreis von rund 30 Kilometern der ukrainischen Hauptstadt Kiew sowie rund um die Grossstadt Charkiw im Osten unweit der russischen Grenze. Die militärischen Handlungen der russischen Truppen seien eindeutig darauf ausgerichtet, wichtige Bevölkerungszentren einzunehmen, so der Beamte. Der Angriff habe in der Dunkelheit am Donnerstagmorgen ukrainischer Zeit mit Raketenbeschuss begonnen. Diese seien von Land, Positionen auf See und aus der Luft abgeschossen worden.

Kontrolle über Teile im Süden verloren

Zuvor meldete die Regionalverwaltung des Gebiets Cherson, die Kontrolle über Teile im Süden des Landes verloren zu haben. Die Stadt Cherson liegt am Fluss Dnipro. Auch das Gebiet Henitschesk stehe nicht mehr unter ukrainischer Kontrolle. Es gab bereits am Nachmittag Bilder, die zeigen, dass russsiche Truppen am Dnipro den Staudamm von Nowa Kachowka erobert haben sollen. Befürchtet wird, dass Russland auch in die Schwarzmeer-Stadt Odessa einmarschiert. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einer schwierigen Lage im Süden des Landes.

Nach ukrainischen Angaben wurden auch ein Kanal und ein Wasserkraftwerk erobert. Nach der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel 2014 durch Russland hatte die Ukraine den für die Wasserversorgung wichtigen Nord-Krim-Kanal gesperrt.

Putin: Angriff ist «notwendige Massnahme»

Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Einmarsch ins Nachbarland Ukraine als «notwendige Massnahme» bezeichnet. «Damit das verständlich ist: Das, was passiert, ist eine notwendige Massnahme», sagte Putin am Donnerstagabend bei einem Treffen mit russischen Wirtschaftsvertretern, das in Ausschnitten im Staatsfernsehen gezeigt wurde. «Uns wurden einfach keinerlei Chancen gelassen, anders aufzutreten.»

Putin betonte zugleich: «Wir können die geopolitischen Risiken nicht vollständig vorhersagen.» Er versicherte aber, die Wirtschaft könne zu Recht erwarten, dass die Regierung nachvollziehbar handele. Die Verhängung neuer Sanktionen sei erwartet worden. Russland bleibe Teil der Weltwirtschaft. Es werde dieses System nicht beschädigen. Zugleich warnte der Kremlchef «unsere Partner» davor, Russland wirtschaftlich zu isolieren.

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine dauert nach Angaben aus Moskau an. «Die Spezialmilitäroperation wird fortgesetzt», sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Donnerstag nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. Nach seinen Angaben rückten die Separatistenkämpfer der Gebiete Donezk und Luhansk sechs bis acht Kilometer in ukrainisches Gebiet vor. Die russische Armee habe dabei unterstützt.

Der Sprecher bestätigte die Eroberung des wichtigen Nord-Krim-Kanals. Dadurch sei die Wasserstrasse «entsperrt» und die Wasserversorgung der Schwarzmeer-Halbinsel Krim wieder hergestellt worden. Dabei seien auch russische Fallschirmjäger zum Einsatz gekommen. Nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel 2014 durch Russland hatte die Ukraine den für die Wasserversorgung wichtigen Kanal gesperrt.

Luftalarm in Kiew

Zuvor löste die ukrainische Hauptstadt Kiew wegen des russischen Angriffs bereits Luftalarm aus. Die Verwaltung rief alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich möglichst in Luftschutzbunkern in Sicherheit zu bringen. Am Morgen waren bereits testweise die Luftschutzsirenen zu hören gewesen.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko verhängte eine Sperrstunde. Zudem seien vier Metro-Stationen als Luftschutzbunker ausgewiesen worden. Die U-Bahn solle weiter in Betrieb bleiben, sagte er. Kiew hat etwa 2,8 Millionen Einwohner. In der Ukraine gilt landesweit seit 5.30 Uhr (4.30 Uhr MEZ) auf Erlass von Präsident Wolodymyr Selenskyj das Kriegsrecht, vorerst für 30 Tage.

Die Ukraine meldet bereits 40 getötete Soldaten durch russische Luftangriffe: Beim Absturz eines ukrainischen Militärflugzeugs südlich von Kiew sind nach offiziellen Angaben mindestens fünf Menschen getötet worden. Insgesamt seien 14 Menschen an Bord der Transportmaschine vom Typ Antonow An-26 gewesen, teilt der staatliche ukrainische Katastrophenschutz mit. Die Absturzursache war zunächst unklar.

Auch weitere Angriffe aus verschiedenen Richtungen werden gemeldet. Bis um 12.00 Uhr (MEZ) habe Russland mehr als 30 Attacken mit Flugzeugen, Artillerie und Marschflugkörpern «auf ukrainische zivile und militärische Infrastruktur» ausgeübt, teilt der ukrainische Generalstab mit. Unabhängig überprüfen liessen sich diese Angaben zunächst nicht.

Für Meldungen, dass russische Truppen den Airport in Kiew eingenommen haben, gab es zunächst keine unabhängige Bestätigung. Der Berater des ukrainischen Innenministers, Anton Heraschtschenko, teilte bei Facebook Videos von angeblich abgeschossenen russischen Hubschraubern.

Moskau: Luftabwehr der Ukraine unschädlich gemacht

Moskau wiederum hatte betont, keine Flugzeuge, Raketen oder Artillerie gegen ukrainische Städte einzusetzen, sondern lediglich gegen militärische Infrastruktur, Luftverteidigung und Flugplätze der ukrainischen Luftwaffe vorzugehen. Auch diese Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen. Der Kreml liess die Frage, bis wohin russische Soldaten vorrücken wollten, zunächst unbeantwortet.

Nach eigenen Angaben machten die russischen Streitkräfte bei der Invasion in die Ukraine die Luftabwehr des Landes komplett unschädlich. Die Stützpunkte der ukrainischen Luftwaffe seien mit «präzisionsgelenkter Munition» ausser Betrieb gesetzt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Die ukrainischen Soldaten hätten keinerlei Widerstand gegen das russische Militär geleistet, hiess es.

Zugleich wies das Ministerium ukrainische Berichte über einen Abschuss von russischen Flugzeugen zurück. Das entspreche nicht den Tatsachen, hiess es. Das Ministerium teilte auch mit, dass es keine Luftschläge gegen ukrainische Städte gebe. «Der Zivilbevölkerung droht nichts.»

Russland griff nach eigener Darstellung ausserdem Dutzende Stellungen des ukrainischen Militärs an. Es seien 74 Objekte der Bodeninfrastruktur «ausser Gefecht» gesetzt worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Darunter seien elf Flugplätze, drei Kommandoposten und ein Marinestützpunkt gewesen.

Zudem seien 18 Radarstationen der Boden-Luft-Raketenabwehrsysteme S-300 und Buk-M1 zerstört worden. Nach Moskauer Angaben wurden auch mindestens ein Kampfhubschrauber und mehrere Kampfdrohnen abgeschossen. Diese Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

Kreml: «Niemand spricht von Besetzung»

Der Kreml hat Vorwürfe zurückgewiesen, das Nachbarland besetzen zu wollen. «Niemand spricht über eine Besetzung. Und in diesem Fall ist dieses Wort hier nicht anwendbar», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Wie lange russische Soldaten im Donbass bleiben, werde Präsident Wladimir Putin entscheiden. Ziel sei eine «Demilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine», so der Kremlsprecher. «Das bedeutet die Neutralisierung des Militärpotenzials, das in letzter Zeit auch dank der energischen Aktivität des Auslands erheblich gewachsen ist.»

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am frühen Morgen in einer Fernsehansprache den Beginn der Militäroperation gegen die Ukraine bekanntgegeben. Er berief sich dabei auf die gespannte Lage in der ostukrainischen Region Donbass. Die dortigen Separatistengebiete Luhansk und Donezk hatte er zu unabhängigen Staaten erklärt.

«Ich habe beschlossen, eine Sonder-Militäroperation durchzuführen», so Putin. «Ihr Ziel ist der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind.» Putin entsprach damit einer schriftlichen Bitte der Chefs der Volksrepubliken Luhansk und Donezk um Beistand, um Angriffe der ukrainischen Armee abzuwehren. Putin hatte zuvor ein militärisches Eingreifen schriftlich in Aussicht gestellt, sollte er gefragt werden. Damit stehen sich nun erstmals russische und ukrainische Soldaten in dem seit acht Jahren dauernden Konflikt gegenüber.

Deutsche sollen Ukraine verlassen

Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes eine hohe dreistellige Zahl von Bundesbürgern auf einer Krisenvorsorgeliste registriert. Das teilte eine Sprecherin des Aussenministeriums in Berlin am Donnerstag auf Anfrage mit. Zugleich wurde betont, dass man von einer deutlich höheren Zahl an Deutschen ausgehe, die sich noch in der Ukraine aufhalten.

Die Bundesregierung ruft deutsche Staatsangehörige dringend auf, die Ukraine zu verlassen. Ausserdem wurde die deutsche Botschaft in Kiew vorübergehend geschlossen. «In der Ukraine finden Kampfhandlungen & Raketenangriffe statt», teilte das Auswärtige Amt auf Twitter mit. An die deutschen Staatsangehörigen appellierte das Aussenministerium, vorläufig an einem geschützten Ort zu bleiben, falls diese das Land nicht auf einem sicheren Weg verlassen könnten.

Die deutsche Botschaft in Kiew hat Deutsche in der Ukraine aufgerufen, sich angesichts des russischen Einmarsches in Sicherheit zu bringen. «Eine Evakuierung durch deutsche Behörden ist derzeit nicht möglich», heisst es in einer Mitteilung, die über eine Krisenvorsorgeliste per E-Mail an deutsche Staatsbürger geschickt wurde. «Falls Sie das Land verlassen möchten, prüfen Sie bitte, ob dies auf einem sicheren Weg möglich ist. Bringen Sie sich und andere Personen nicht in Gefahr», steht in der Mail weiter. «Bleiben Sie an einem sicheren Ort. Meiden Sie Menschenansammlungen.»

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