Wladimir Putin und das gefährliche Spiel mit der Lockerung
Das Wichtigste in Kürze
- Russland ist nun bei den Coronavirus-Fällen auf Platz zwei vorgerückt.
- Präsident Wladimir Putin hat die ersten Lockerungen angekündigt.
- Unliebsame Entscheidungen hat er an die Gouverneure abdelegiert.
Am Sonntag war man noch Nummer fünf hinter Spanien, dem Vereinigten Königreich und Italien. Nun ist Russland gemäss Zahlen der Johns Hopkins Universität auf Platz zwei der weltweiten Coronavirus-Fälle vorgerückt. Mit über 230'000 Corona-Infektionen liegt das Land inzwischen gleich hinter den USA.
Trotzdem hat Wladimir Putin das «Regime der arbeitsfreien Tage», wie der Lockdown in Russland offiziell genannt wird, auf Dienstag aufgehoben. Die Situation erlaube allmählich die Aufhebung aller Einschränkung, wie der Staatschef in der Rede an die Nation erklärte.
Brisant: Gleichtags wurde bekannt, dass sich Putins Sprecher Dmitri Peskow mit dem Virus angesteckt hat. Auch Ministerpräsident Michail Mischustin und mindestens zwei weitere Minister haben sich infiziert. Das Virus hat also auch den Kreml erreicht.
Offiziell wenige Todesfälle
Viele Russen fragen sich darum: Warum bereits jetzt die Lockerungen? Wo doch das Land derzeit die meisten Neuansteckungen weltweit verzeichnet. Gemäss der Regierung ist die hohe Infektions-Zahl auf die Menge an Tests zurückzuführen. Zudem ist die offizielle Zahl der Todesfälle mit etwas über 2100 Opfern tief.
Doch das täuscht über die Brisanz der russischen Corona-Krise hinweg. Die tatsächliche Opferzahl dürfte deutlich darüber liegen. Herzinfarkte infolge einer Covid-19-Erkrankung werden beispielsweise als Herzinfarkt in die Statistik eingetragen, Corona-Todesfälle offiziell als Lungenentzündungen abgetan. Kurz gesagt: Nur eindeutige Covid-19-Todesfälle werden in Russland als solche ausgewiesen.
Wladimir Putin unter Druck
Klar ist: Putin ist in Zugzwang geraten. Andere Länder wagen bereits die Lockerung. Russland könnte so ins Hintertreffen geraten, so seine Befürchtung.
Zudem wurde durch das Coronavirus der Zerfall von Putins Zustimmungswerten beschleunigt. Gemäss einer Umfrage ist das Vertrauen in den Staatschef seit Januar um bis zu sieben Prozent gefallen. Nun scheint er mit der Lockerung seine sinkenden Beliebtheitswerte auffangen zu wollen.
Doch einen wirklichen, langfristigen Lockerungs-Fahrplan legt Putin nicht vor. Ohnehin wirkte der Staatschef in der Krise eher planlos und blass. Überlässt dafür die Verantwortung den Gouverneuren - Und auch unliebsame Entscheidungen.
Doch hier drin liegt die grösste Schwäche des russischen Systems. Das Machtmonopol liegt bei Putin. Die Gouverneure sind Moskaus Puppen und keine grossen Entscheidungsträger oder Krisenmanager. Sie fühlen sich auch darum zunehmend vom Kreml allein gelassen.
Corona offenbart eines: Das System Wladimir Putin ist gemacht für Kontrolle, Ordnung und Repressionen. Nicht aber für eine Coronavirus-Krise.