Alternativmedizin: WHO forscht zu verschiedenen Praktiken
Akupunktur, Ayurvedische Medizin und Kräutermischungen - was ist dran an diesen Praktiken? Die Weltgesundheitsorganisation erforscht nun die Alternativmedizin.
Das Wichtigste in Kürze
- Wie weit kommt man mit der Alternativmedizin?
- Die Weltgesundheitsorganisation erforscht nun verschiedene Praktiken.
Traditionelle Medizin nutzen viele Menschen – aber was bringen diese Methoden wirklich? Ein neues Zentrum der Weltgesundheitsorganisation (WHO) will das herausfinden. Das Zentrum befindet sich in Indien, einem Land für Ayurveda, Yoga, Naturheilkunde, Unani, Siddha und Homöopathie.
Bei der Eröffnung des Zentrums in der Stadt Jamnagar Mitte April war auch Indiens Premier Narendra Modi zugegen. «Indiens traditionelles Medizinsystem ist nicht nur eine Behandlung. Es ist holistische Wissenschaft des Lebens», sagte er. Seine Regierung unterstützt das Zentrum nach WHO-Angaben mit 250 Millionen US-Dollar (230 Millionen Euro).
WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus erklärte: «Das Zentrum soll ein Motor der Innovation sein. Um eine Agenda für Belege, Daten und Nachhaltigkeit in der traditionellen Medizin voranzubringen.» Es solle Praktiker traditioneller Medizin weltweit verbinden und helfen, Standards für die Forschung zu setzen.
Alternativmedizin ist ein weites Feld. Laut einer WHO-Mitteilung zum Zentrum nutzen 80 Prozent der Weltbevölkerung traditionelle Medizin. Dazu zähle unter anderem Akupunktur, Ayurvedische Medizin und Kräutermischungen.
Alternativmedizin auch heute grosses Thema
Traditionelle Medizin ist auch in der modernen Wissenschaft vertreten. Rund 40 Prozent aller heute zugelassenen Arzneimittel rühren nach WHO-Angaben von natürlichen Substanzen her. Die Entdeckung von Aspirin etwa habe sich auf alte Rezepturen aus Weidenbaumrinde gestützt. Die Forschung über Artemisinin zum Einsatz gegen Malaria habe mit einem Studium alter Texte zu chinesischer Medizin begonnen.
Sich über Jahrhunderte entwickelte Heilverfahren mal genauer anzusehen, zu prüfen und gute klinische Studien durchzuführen, erscheine sinnvoll. Dies sagte Georg Rüschemeyer von Cochrane, einem internationalen Netzwerk, das wissenschaftliche Grundlagen für Entscheidungen im Gesundheitswesen bereitstellt. Cochrane ist besonders für seine sogenannten Cochrane Reviews bekannt. Systematische Übersichtsarbeiten, die die gesamte wissenschaftliche Evidenz zu einer konkreten Fragestellung aus der Medizin oder anderen Gesundheitswissenschaften zusammenfassen.
Rüschemeyer betonte jedoch auch: Man könne vermutlich noch zahlreiche Beispiele finden, in denen sich die Alternativmedizin als unwirksam oder gar gefährlich erwiesen. Ob ein Verfahren rechtfertige, viel Geld in überprüfende Studien zu stecken, sei immer eine wichtige Abwägungsfrage.
Beweise sind mangelhaft
Es gebe etliche Cochrane Reviews zur Anwendung traditioneller Verfahren wie Akupunktur für konkrete Fragestellungen. «Aus meiner persönlichen Erfahrung bei Cochrane würde ich sagen: Mir sind noch nicht viele solche Cochrane Reviews untergekommen, die wirklich überzeugende Evidenz für ein traditionelles Verfahren zeigten», sagte Rüschemeyer.
Das liege oft daran, dass man bei der Suche nur wenige Studien finde, die dann einen Nutzen nicht belegen könnten. Womit man wieder bei der Frage wäre, ob man Forschungsgelder in Verfahren stecken solle, die wissenschaftlich wenig plausibel erscheinen.
Professor Edzard Ernst, Lehrer für Alternativmedizin an der Universität Exeter hatte, gibt zudem zu bedenken: Zwar solle man noch warten und schauen, wer das Zentrum leiten werde. Und ebenfalls welche Arbeiten hervorkommen würden, die WHO-Pressemitteilung sei jedoch voller heisser Luft und Plattitüden.
Von der WHO heisst es, sie wolle im neuen Zentrum auch moderne Technologien nutzen, um traditionelle Medizin zu studieren. Künstliche Intelligenz und Big Data etwa. Das Zentrum soll sich darauf konzentrieren, eine zuverlässige Beweisgrundlage für die Politik zu schaffen. Zudem solle es Ländern helfen, diese angepasst in ihre Gesundheitssysteme einzubauen.