Biohacker bauen teure Gentherapie nach
Biohacker haben eines der teuersten Medikamente aller Zeiten kopiert. Aber ob die nicht wissenschaftlich entwickelte Gentherapie je benutzt wird, ist fraglich.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Team von sogenannten Biohackern hat die Gentherapie Glybera nachgebaut.
- Diese war nicht mehr auf dem Markt erhältlich.
- Biohacker machen molekularbiologische Experimente in selbstgebauten Labors.
- Sie arbeiten dabei nicht nach wissenschaftlichen Standards, was Forschende kritisieren.
Glybera war die erste Gentherapie, die in der EU für die Behandlung von Menschen zugelassen war. Das Medikament wurde für Patienten mit einem seltenen Gendefekt entwickelt: dem Lipoprotein-Lipase-Mangel (LPLD). Doch nach nur vier Jahren verschwand Glybera 2017 schon wieder vom Markt. Der Grund: Es war zu teuer.
Bei der einzigen Patientin, die damit behandelt wurde, kostete die Behandlung eine Million Franken. LPLD ist zwar eine seltene Krankheit, nur gerade ein Mensch von einer Million ist betroffen. Doch diese Leute haben keinen Zugang mehr zu Glybera. Das wollen Biohacker nun ändern.
Spritzen aus der Garage
Sogenannte Do-It-Yourself-Biologen, auch Biohacker genannt, experimentieren in ihren Küchen, Garagen oder in selbstgebauten Labors. Auch in der Schweiz gibt es rund zwanzig bis dreissig Leute, die so Molekularbiologie betreiben. Und auch wenn sich die meisten Versuche auf relativ einfache Tricks beschränken, gibt es Biohacker mit grösseren Plänen. So auch die Gruppe in den USA, die nach eigenen Angaben Glybera nachgebildet hat.
Der US-Amerikaner Gabriel Licina ist der Kopf der Gruppe. An einer Biohacker-Konferenz im August sagte er, sie hätten «Slybera», wie sie ihre Kopie nennen, in zwei Monaten mit einem Budget von 7000 Dollar (rund 6900 Schweizer Franken) hergestellt. Es zu vervielfältigen koste «praktisch nichts».
Teuer wird es jedoch, wenn das Medikament wirklich zur Anwendung kommen soll. Denn zwischen Entwicklung und Anwendung stehen Studien, Publikationen und Bewilligungen.
Lukas Jeker, Immunologe am Universitätsspital Basel, hält die Kostenvorstellung von Licina deshalb für naiv. Gerade weil es einfacher geworden sei, genetische Manipulationen vorzunehmen, sollten solche Versuche unter geregelten Bedingungen stattfinden, findet Jeker. «Ich würde mir nichts spritzen lassen, das nur in einer Garage entwickelt worden ist.»
Die hohen Preise für komplexe Therapien erklärt Jeker so: «Die meisten Pharma-Produkte schaffen es gar nicht bis auf den Markt. Entwicklungskosten fallen aber trotzdem an. Deshalb müssen die Medikamente, die verkauft werden können, die Fehlversuche gewissermassen quersubventionieren.»
Arbeiten auf hohem Niveau
Marc Dusseiller ist DIY-Biologe und externer Dozent an diversen Schweizer Hochschulen. Er ist selbst nicht am Projekt zum Nachbau von Glybera beteiligt, aber als Gründer des globalen Netzwerks «Hackteria» ist er international gut vernetzt und kennt einige Mitglieder des Teams.
«Diese Leute sind in der Szene bekannt und arbeiten auf hohem Niveau. Sie haben auch auf dem Gebiet studiert», sagt Dusseiller. Es sei nicht allzu schwierig, das Medikament «nachzubauen», wenn es jemand schon entwickelt hat.
Gabriel Licina und Co. werden nach eigenen Aussagen versuchen, das Medikament weiterzuentwickeln und zusammen mit der amerikanischen Behörde für Lebens- und Arzneimittel (Food and Drug Administration, FDA) bewilligen zu lassen.
«Nau forscht»
Im Rahmen dieser Serie erscheint jeden Sonntag ein exklusiver Beitrag des Wissenschaftsmagazins «higgs».
Dieser Beitrag wurde verfasst von Valentin Oberholzer.