Coronavirus: Berner Forscher zeigen Wirksamkeit des Lockdowns auf
Forscher haben verschiedene Szenarien im Kampf gegen das Coronavirus berechnet. Insbesondere für Entwicklungsländer würden sich Lockdown-Intervalle eignen.
Das Wichtigste in Kürze
- Forscher haben diverse Corona-Szenarien durchgerechnet.
- Für Entwicklungsländer eigneten sich zyklische Lockdowns am besten.
Ein internationales Forscherteam hat die Wirksamkeit der nichtmedizinischen Eindämmungsmassnahmen gegen das Coronavirus durchgerechnet. Bei der Studie war das Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern massgeblich beteiligt.
Die Forscher suchten eine pragmatische Lösung insbesondere für Entwicklungsländer, um eine Überlastung der Gesundheitssysteme zu verhindern. Gleichzeitig soll aber die Wirtschaft und Gesellschaft nicht zu stark zu belastet werden. Die Idee ähnelt derjenigen eines Forschungsteams aus Israel: Ein zyklischer Lockdown gegen das Coronavirus.
Mit dynamischen Massnahmen könne eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden. Gleichzeitig würden Massnahmen in Intervallen auch dafür sorgen, dass Wirtschaft und Gesellschaft nicht zu stark belastet würden.
Das Forscherteam untersuchte insgesamt drei Szenarien für 16 Länder, von Indien bis Kolumbien. Diese unterscheiden bezüglich Kapazitäten ihrer Gesundheitssysteme und ihrer Bevölkerung. Ihre Ergebnisse wurden im European Journal of Epidemiology veröffentlicht, wie die Universität Bern am Mittwoch mitteilte.
Abwechslung verspricht Erfolg gegen das Coronavirus
Im ersten Szenario werden keinerlei Massnahmen gegen das Coronavirus umgesetzt. Wie erwartet würde die verfügbare Kapazität für intensivmedizinische Pflege in jedem Land schnell massiv überschreiten. Die Epidemie würde sich in den meisten der Länder über fast 200 Tage hinziehen– mit einer hohen Anzahl von Todesfällen.
Im zweiten Szenario wurden eine 50-tägige Phase mit Abschwächungsmassnahmen, gefolgt von einer 30-tägigen Lockerung untersucht. Als Massnahmen wurden Social Distancing, Hygienemassnahmen, Isolierung der Kranken, Schutz der Risikigruppen, Schliessung von Bildungsstätten und Verbot von Grossanlässen definiert. Auch diese Strategie würde nicht ausreichen, um eine Überlastung der Intensivstationen in den Spitälern zu verhindern. Denn nach der ersten Lockerung wären die Kapazitäten schnell wieder überschritten.
Als drittes Szenario modellierten die Forschenden einen fortlaufenden Zyklus von starken Eindämmungsmassnahmen inklusive Lockdown während 50 Tagen. Danach folgt jeweils eine 30-tägige Lockerung. Mit einer solchen Strategie blieben die benötigten Plätze auf Intensivstationen in allen Ländern innerhalb der nationalen Kapazitäten. Die Dauer der Epidemie würde über 18 Monate hinweg verlängert – jedoch mit einer wesentlich geringere Anzahl an Todesfällen.
«Ein abwechselnder Zyklus aus striktem Social Distancing und einer Lockerungsphase würde es der Bevölkerung und der Wirtschaft erlauben aufzuatmen. Das könnte insbesondere in ressourcenarmen Regionen nachhaltiger sein.» Mit diesen Worten wird Rajiv Chowdhury, Epidemiologe für Global Health an der Universität Cambridge und Hauptautor der Studie zitiert.
Keine Neuinfizierten nach drei Monaten Lockdown
Die Forscher ermittelten ebenfalls, wie lange ein strenger Lockdown dauern müsse, bis es zu keiner einzigen Neuansteckung mehr kommen würde. In allen untersuchten Ländern würde es maximal drei Monate dauern. Mit moderaten Eindämmungsmassnahmen wäre dieser Zeitpunkt nach etwa einem halben Jahr erreicht.
Bei einem strengen und lange anhaltenden Lockdown käme es jedoch zu erheblichen negativen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen. Deswegen würden derzeit viele Länder die Aufhebung der Massnahmen erwägen. Das erhöhe aber das Risiko eines Wiederaufflammens der Infizierten mit dem Coronavirus.
Derzeit keine Option für die Schweiz
Eine Reihe europäischer Länder befindet sich derzeit in der Phase der ersten Lockerungen nach dem Lockdown, so auch die Schweiz. Mit breiteren Tests und einem verstärkten Contact Tracing wird versucht, einen erneuten Anstieg der Infektionen zu verhindern. Idealerweise reiche dies aus, um die Infektionen durchgehend auf tiefem Niveau zu halten, sagt Christian Althaus, Co-Autor der Studie.
Für die Schweiz seien darum solche zyklischen Interventionsstrategien derzeit kein Thema. Die in der Studie beschriebenen zyklischen Strategien dürften insbesondere für Entwicklungsländer eine vorerst pragmatische Lösung bieten.