Coronavirus: Epidemiologe Salathé schiesst gegen Covid-Zertifikat
Der Epidemiologe Marcel Salathé ist «kein Freund» des Covid-Zertifikats. Sein Berner Kollege Christian Althaus kann sich hingegen eine Ausweitung vorstellen.
Das Wichtigste in Kürze
- Salathé und Althaus haben unterschiedliche Meinungen zum Covid-Zertifikat.
- Der Lausanner Epidemiologe Salathé bezeichnet sich selbst als «kein Fan» der Massnahme.
- Der Berner Althaus könnte sich im Hinblick auf den Winter eine Ausweitung vorstellen.
Christian Althaus und Marcel Salathé gehörten zu den ersten Epidemiologen, die vor dem Coronavirus warnten und dessen Gefährlichkeit erkannten. Über längere Zeit kamen die beiden fast täglich in den Medien zu Wort. Mit der hierzulande relativ erfolgreichen Impfkampagne wurde es zwar mittlerweile etwas stiller um die Experten – doch nach wie vor werden ihre Einschätzungen zu Covid-Themen mit viel Spannung verfolgt.
So etwa auch beim gestern ausgestrahlten «persönlichen Talk» der Wissenschaftler mit «Tele Züri». Bei dem Gespräch mit dem TV-Sender ging es etwa um Impfungen, die Covid-Zertifikate, die «4. Welle» oder um ihre letztjährige «Über-Präsenz» in den Medien.
Ganz spannend war dabei eine Aussage von Salathé zu den Zertifikaten. Während der Professor für digitale Epidemiologie zwar die Entwicklung unterstützte – «es hiess immer, das Ausland werde eines machen und deshalb brauchen wir auch eines» – sei er im Inland «kein Freund» der Massnahme.
«Ich finde es komisch, dass man gerade jetzt, wo alle Impfwilligen geimpft sind, plötzlich Eintrittskontrollen aufgrund einer Antikörper-Präsenz macht.» Er bezeichnete die Situation als «sehr dystopisch». «Vieles wird dann zur Normalität und man hinterfragt diese Entwicklung auch nicht mehr. Plötzlich haben wir ein digitales System, das entscheidet, ob man noch rein darf oder nicht.»
Epidemiologe Althaus: «Im Herbst braucht es minimale Massnahmen»
Eine Ausweitung des Covid-Zertifikats für den Winter könnte sich hingegen Salathés Kollege «sehr gut vorstellen». «Es ist wichtig, dass man diese Diskussionen nun im Sommer führt, damit man nicht so überrumpelt wird, wie im letzten Jahr», so Althaus.
Der Wissenschaftler der Universität Bern rechnet damit, dass es im Herbst «minimale Massnahmen» brauchen werde, um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. «Wichtig ist es dabei aber, einen guten Mittelweg zu finden», stellte Althaus klar.
Der Berner machte zudem eine weitere interessante Aussage über eine mögliche Covid-Zertifikats-Ausweitung in der Zukunft: «Es ist wichtig, dass man nun die Freiheiten der Geimpften schützt und nicht eingrenzt.»
Zudem sprach Althaus auch darüber, dass es «nicht schlecht wäre» etwas Druck aufzubauen, damit sich die Leute «bei Anlässen vorsichtiger verhalten» und sich die Nicht-Geimpften «doch noch einmal» den Impfschutz überlegen würden. «Ein Zwang kann und soll es in der Schweiz aber nicht geben», hielt Althaus fest.
Impfanreiz? Salathé setzt auf die Kommunikation
Die beiden Wissenschaftler wurden in dem Gespräch auch zu den steigenden Fallzahlen befragt. Christian Althaus weigerte sich dabei von einer «vierten Welle» zu sprechen: «Wir sind jetzt mit den Impfstoffen in einer ganz anderen Lage. Man kann das Virus nun stärker ausbreiten lassen und muss nicht mehr mit solch harten Massnahmen wie im letzten Jahr darauf reagieren.»
Betreffend Impf-Anreiz will Marcel Salathé auf die Kommunikation setzen. Er spricht von drei verschiedenen Gruppen: Die Impfwilligen, die Zögernden und die Impfgegner. Die mittlere Gruppe könne man von einer Corona-Impfung überzeugen – und das sei mit der richtigen Kommunikation auch möglich.
Die Wissenschaftler blickten in dem Gespräch auch zurück auf ihre Medien-Präsenz in den vergangenen eineinhalb Jahren. Salathé machte dabei eine weitere spannende Aussage: «Wenn ich heute zurückschaue, dann würde ich mir vielleicht raten, mich schon im Sommer stärker zurückzuziehen und wieder mehr auf die Forschung zu besinnen.»
Althaus fügte hinzu: «Ich glaube, wir sind heute beide froh, dass wir uns wieder mehr auf die wissenschaftliche Arbeit konzentrieren können und weniger Medienarbeit betreiben müssen.»