Gebietsfremde Arten auf dem Vormarsch
Bären, Wölfe und Bartgeier machen Schlagzeilen. Doch heimlich finden auch immer mehr gebietsfremde Arten den Weg in eine neue Heimat. Laut einer neuen Studie dürfte deren Zahl bis Mitte dieses Jahrhunderts weltweit um mehr als ein Drittel gegenüber 2005 zunehmen.
Das Wichtigste in Kürze
- Am stärksten betroffen ist Europa: Die im Fachmagazin «Global Change Biology» erschienene Studie mit Beteiligung der Universität Freiburg prognostiziert, dass sich bis 2050 etwa 2500 neue gebietsfremde Arten auf dem Kontinent niederlassen werden.
Das entspreche einem Anstieg von 64 Prozent, teilte die Uni Freiburg am Donnerstag mit.
Europa sei stark vernetzt im globalen Handel, sagte der Freiburger Ökologe und Mitautor der Studie Sven Bacher. Dementsprechend gelangten auch viele gebietsfremde Arten hierher. «Dabei handelt es sich zum grössten Teil um weniger auffällige Neuankömmlinge, wie Insekten, Weichtiere und Krebstiere. Neue gebietsfremde Säugetierarten - wie beispielsweise der bereits eingewanderte Waschbär - sind nicht zu erwarten», sagte der Erstautor Hanno Seebens vom Senckenberg Biodiversität- und Klima-Forschungszentrum gemäss der Mitteilung.
Als gebietsfremde Arten werden solche bezeichnet, die der Mensch an Orte gebracht hat, die nicht ihrer natürlichen Heimat entsprechen. Bis zum Jahr 2005 wurden mehr als 35'000 solcher Arten erfasst. Zwar sind diese Tiere grösstenteils harmlos. Doch einige verhalten sich invasiv: Sie breiten sich stark aus, verdrängen dabei einheimische Arten und schleppen Krankheiten oder Parasiten ein.
Welche Tiere sich invasiv verhalten werden, lasse sich zurzeit noch nicht abschätzen. Doch beispielsweise die Feuerameise und die Goldmuschel könnten künftig grosse Schäden in der Schweiz anrichten, sagte Bacher.
Für die Studie entwickelte das Forschungsteam ein Computermodell basierend auf Beobachtungen der letzten Jahrzehnte. Neben Europa erwarten die Forschenden auch für Gebiete in den gemässigten Breiten Asiens, Nord- und Südamerikas einen hohen Zuwachs. Australien gilt demnach als am wenigsten betroffen.
Das Modell spiegle den Trend der letzten Jahre wider, sagte Bacher. Verstärke sich etwa der Klimawandel oder schwinde die Biodiversität in steigendem Tempo, könne sich die Anzahl der einwandernden Arten sogar noch mehr erhöhen als die aktuelle Studie vermuten lasse.
Die Berechnungen zeigen, dass vor allem Gliederfüsser- und Vogelarten schneller als bisher in neue Gebiete eindringen werden. Säugetiere und Fische hingegen werden bis 2050 etwas langsamer als bisher neue Lebensräume erobern. Anders sieht es in Europa aus: Hier werden die Eindringlinge über alle Pflanzen- und Tierarten hinweg zunehmen - mit Ausnahme der Säugetiere.
«Wir können die Einschleppung gebietsfremder Arten nicht gänzlich verhindern», sagte Bacher. Aber mit strengeren Regularien und deren strikter Umsetzung könne man die Flut der neuen Arten eindämmen. Gerade in Europa, wo die Regelungen vergleichsweise locker seien, gebe es viele Möglichkeiten.
Neben den gebietsfremden Tieren fanden die Forschenden ebenfalls heraus, dass sich viele Pflanzen in neuen Regionen ansiedeln werden. Als wichtigste Quelle gelte hier der Gartenhandel, sagte Bacher und zog einen Vergleich: Während in den Alpen etwa 3000 Gefässpflanzen heimisch sind, lassen sich über 30'000 Pflanzen kaufen.
https://doi.org/10.1111/gcb.15333